X. Buch. VI. Städtebau. 383
lichen Gesundheitspflege“. In dieser Verhandlung wurde namentlich der Grundsatz der
Abstufung, welcher im allgemeinen schon 1893 aufgestellt war, näher ausgeführt. Es
seien Bestimmungen festzusetzen, und zwar nach Ortsteilen veränderlich, über das Ver-
hältnis zwischen Gebäudehöhe und Gebäudeabständen, über die Gewinnung ausreichender
und möglichst zusammenhängender Freiflächen im Blockinnern, über die Fernhaltung
schädlicher und belästigender Gewerbebetriebe von den Wohnstätten, über die Anwendung
der geschlossenen, halboffenen oder offenen Bauweise, über die Höchstzahl der Wohn-
geschosse und diejenige der Wohnungen in den einzelnen Geschossen. Sodann wurde eine
Abstufung nach Gebäudegattungen — große Miethäuser, kleine Miethäuser, Ein-
familienhäuser — behandelt, und die Begünstigung der beiden letzteren Gattungen emp-
sohlen, ferner die Abstufung nach Kaumgattungen zum dauernden oder zum vorüber-
gehenden Aufenthalt, das Minimum der Näumlichkeit von Familienwohnungen, die
Fürsorge für Dach- und Kellerräume erörtert.
Reinigung und Entwässerung. Auch das Gebiet der Reinigung und Entwässe-
rung wurde in der Berichtsperiode erheblich
wissenschaftlich gefördert, dank den umfassenden Erfahrungen aus der Prazis, aber
auch auf Grund von Fortschritten in der Hpdraulik, Chemie und Bakteriologie. Zum
Beleg seien angeführt: neue Methoden zur Abfuhr und Beseitigung des Kehrichts
(Verbrennen des Mülle), Untersuchungen über den landwirtschaftlichen Wert oder
Unwert der Fäkalien im Vergleich zu künstlichem Dünger, Forschungen über Menge
und Ablauf des Kanalwassers, über die zweckmäßigsten Querschnittsformen und Spül-
einrichtungen der Kanäle, wirtschaftliche Berechnungen über Rückhaltebecken, Trenn-
spstem und provisorische Kanalisation. Eifrig ist das Ziel der Reinheit von Luft, Wasser
und Boden im Bereich menschlicher Ansiedelungen verfolgt worden. Mancherlei neue
Erfindungen zur Reinigung von Kanalwasser sind aufgekommen oder vervollständigt
worden, so Rechenkonstruktionen mit festem Stand oder mit stetiger Bewegung, Klärbecken
und Klärtürme, das Faulverfahren in den Emscher Brunnen, die biologische Reinigung in
Füllkörpern oder Tropfkörpern, Rieselfelder und Fischteiche. Namentlich sind die beiden
letztgenannten Methoden sorgfältig ausgebildet und dürften in Zukunft nicht bloß die
Beseitigung, sondern auch die Verwertung der Abfälle bewerkstelligen: das Ideal
für den Hygieniker und für den Volkswirt.
Außer dem naturwissenschaftlichen Gesichtspunkt hat sich aber auch der wirtschaft-
liche mehr und mehr Geltung verschafft, so daß gegenwärtig vonseiten der Aufsichts-
behörden in der Regel nicht mehr als nötig verlangt wird, um die öffentlichen Gewässer
trotz der Einleitung städtischen Kanalwassers in erträglichem Zustand zu erhalten.
Absolute Reinheit ist als unerreichbar erkannt. Wo immer möglich, wird eine mechanische
Reinigung bis zu einer Korngröße von 2—3 mm oder von 20—300 der Schwebestoffe
als ausreichend angesehen und die kostspielige biologische Reinigung nur bei einem beson-
ders schlechten Verhältnis zwischen Schmutzwasser und Flußwasser verlangt, sowie für
eine etwaige Verschlimmerung der Umstände in Zukunft vorbehalten. Deshalb können
auch lleinere Orte sich jetzt eher der hpgienischen Wohltat einer Kanalisation erfreuen.
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