34 Baukunst. XlI. Buch.
Geschäftsleute sagen nicht mehr,“ so las man 1908, „man kann die neuen Bestrebungen
fördern und doch Geschäftsmann sein, sondern sie sagen sich: man ist nur dann Geschäfts-
mann, wenn man auf die von den Künstlern zuerst erkannten Tendenzen der neuen Zeit
eingeht.“ Mit dieser Feststellung wurde gleichsam der erste Stein des neuen Kulturbaues
geweiht, der den Namen trägt: Qualitätsarbeit.
Allerdings! die Qualitätsware braucht Ab-
nehmer andererseits! Und die Abnehmer müs-
sen erst den Sinn für solche Arbeit geweckt bekommen, müssen erst geschmacklich erzogen
werden, um den Wert der Qualitätsware bei höherem Preise unter der Masse der billigen
Schundware schätzen zu können. ODas bedeutet aber nicht mehr und nicht weniger, als
Erziehung des deutschen Volkes zum Geschmack!
Sobald die neue gewerbliche Kunstströmung einigermaßen tief in das Gebiet von
Handel und Industrie eingetreten war, mußte naturnotwendig der Begriff der Volks-
kunst auftauchen, und zwar auf jener breiten Kulturbasis, die in ideeller Beziehung zur
Heimatliebe steht, und zu dem Denken und Fühlen, wie es die Heimat aus sich heraus-
geboren hat. #
Wir sehen: Oie Persönlichkeitsarbeiten, die mit Ausnahme vielleicht von Patriz
Huber, die Darmstädter Künstler geleistet hatten, hatten doch die Wirkung gehabt, daß
im Verlauf von 6 bis 7 Jahren eine deutsche Qualitätsarbeit sich bildete, und daß diese wieder
sich zu einer bis tief in das deutsche Bolk dringenden Strömung auswuchs.
Oie Halbmonatzszeitschrift, der „Kunstwart“, hatte von ihrem Gründungsjahr (1887)
an solche Qualitätsarbeit geleistet, ihr Führer, Ferdinand Avenarius, hatte sich zum
festen Programm gemacht, den gebildeten Mittelstand nach und nach mit der Idee der
Qualitätsarbeit, und zwar auf allen Gebieten des Kulturschaffens zu befreunden.
Auf dem Gebiete des Bauschaffens hatte er um 1901 eine Reihe „Kulturarbeiten“, wie
er die Schriften nannte, herausgegeben, die den Maler Paul Schultze aus Naumburg
zum Verfasser hatten. Diese Kulturarbeiten wollten im Bolke die Tradition wieder an-
knüpfen, wollten dem Gegenwartsmenschen eine Beziehung geben zur Ausdruckskultur
der Vergangenheit, so wie sie sich in Haus und Garten, in der Stadt und an der Straße,
in der Kleidung wie in der Gesunderhaltung des menschlichen Körpers zeigt.
Geschmackserziehung im Volke.
Heimatschutz. Mit Hilfe von photographischen Abbildungen guter und schlechter
3 Beispiele („Beispiele und Gegenbeispiele') überzeugte Schultze schla-
gend von dem Unterschied zwischen „Daamals“ und „Heute“, bewies er, wie notwendig ein
energisches Eingreifen, vor allem durch die Behörden, sei, um der zunehmenden Verschan-
delung der schönen deutschen Dörfer, kleineren Städte und Landschaften überhaupt vorzu-
beugen. Ihm ähnlich erstrebte auch der Hamburger Museumsleiter Alfred Lichtwark eine
Läuterung und Bertiefung der Kultur des deutschen Volkes, er knüpfte bei seinen Beleh-
rungen zumeist am einfachsten Hausgerät, sei es ein Blumenstrauß, eine Tischdecke, eine
Zimmertür, an, und führte von da aus in feinsinniger Weise zu eigenem Anschauen und
Denken, besonders innerhalb der vier Wände des eigenen Heims. Auch Gurlitt wies
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