40 Baukunst. XI. Buch.
tungen: die vertikale von Norden, die horizontale von Sũden her, sich begegnen, wie dann
aber besonders in Leipzig sich der Charakter der Handelsstadt ganz lokal ausbildet, an die
Tradition anbindend, und man im Sinne des alten Stadtbildes barockisierend bis zopfig
und doch im Sinne des großgewordenen Handels modern baut. Die barocke Stimmung der
Bauten wird begründet eben durch die Vorliebe für das breite Behagliche; amalog hat in
Berlin Messel das Wertheimhaus in gotisierender Architektur behandelt — der nichtkirch-
liche Zweck des Kaufhauses wurde nur dadurch äußerlich zum Ausdruck gebracht, daß die
Pfeiler sich alle an einem weit vorspringenden, entschieden horizontal abschließenden
Hauptgesims totlaufen. Das Baumaterial ist hier wie dort der Stein, der an das Gerüst
angeblendet ist.
Peter Behrens Der Beton wurde, bis ihn Behrens zu einem dem
Steine gleich würdigen Baustoff erhob, zumeist als
Hilfs- und Unterstruktion verwendet. Es dauerte Zahr-
zehnte, ehe er von dem Verdachte des Surrogates befreit wurde. Bande Belde war wohl der
erste, der die Eisenbetonstütze nicht in der Form der antik sanktionierten Säule sehen wollte,
der im Museum in Hagen den neuen Baustoff in einer seinem Guß- und Stampfcharakter
entsprechenden Form sich äußern ließ, er kam damit aber nicht über das kunstgewerblich
Spielerische hinaus. Zum Architekturglied wurde der Beton erst durch Peter Behrene.
Dieses zum Architekten gewordenen Malers war schon oben, bei Erwähnung der Darm-
städter Bewegung gedacht worden (Seite 31). Behrens fiel damals durch sein im Gegensatz zu
den Olbrichschen Versuchen sehr konstruktiv gedachtes Haus auf, das schlagend bewies: in
diesem Künstler steckt architektonisches Ingenium! Der ganz kubische Aufbau, gebunden
an den Ecken durch Pfeilerbündel, die stracks bis unter das Dach laufen, die Verwendung
moderner, bisher vielfach nur für untergeordnete Bauteile oder für Fabriken und Werk-
stätten verwendeter Baumittel, wie sie der hart gebrannte Klinker darstellte, ließen ihn
schon damals, um 1901, als raum- und materialempfindsamen Künstler erkennen. Der
Hang zum Einfachen, gewissermaßen zum Destillat der Form, brachte Behrens zu Schöp-
fungen, denen der Kubus in klarster Gestalt mit entsprechend einfachem Flächenschmuck das
Leitmotiv war — geometrische Proportionen lassen sich aus den Schöpfungen der da-
maligen Zeit nicht nur hinterher wie die Probe aufs Exempel nachweisen — sie sind gleich-
sam als Ausgangeideen von Behrens ihnen zugrunde gelegt, in diesem Sinne sind sie
verwandt den einfachen und doch so ungeheuren folgenschweren Linienbildern, aus denen
ägyptische und griechische Tempel und romanische und gotische Kirchen entstanden sind!
Die Gefahr für Behrens, durch den Kanon den Geist, der in den modernen Aufgaben
steckt, zu ersticken, mochte vielleicht vorhanden sein, 1907 aber hatte er ihn endgiltig über-
wunden, als er sich an die Kleinarbeit machte, die ihm die A. E. G. in Berlin zuwies: den Dy-
namos, Bogenlampen, Masten und Turbinen die letzte Form zu geben. Ein innigerer
Kontakt von Kunst und Wissenschaft läßt sich wohl kaum denken! Und nun bewies Behrens
zugleich auch in der Berliner Turbinenhalle, wie Beton in der Masse des Bauwerks zu
behandeln sei, wie an ihm sich das Eisen anschließe, das die Mauern im Bogen zur Halle
vereinigt; und der Eindruck seines Werkes im Äußern wie im Innern ist überzeugend und
und die neuen Baustoffe.
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