124 Astronomie, Astrophpsik, Geodasie. X. Buch.
Die Aussicht, in diesem ganzen Gebiete von zusammengesetzten Bewegungserschei-
nungen den wirklichen Sachverhalt zu ergründen, wird offenbar wesentlich erweitert
und erhellt durch fortgesetzte Messungen der Ortsveränderungen einer immer größeren
Anzahl von Sternen der verschiedensten Helligkeiten und Entfernungen.
In dieser Richtung ist nun im letzten Vierteljahrhundert ein großer Fortschritt ge-
schehen durch eine umfassende Organisation von photographischen Aufnahmen
des ganzen Sternhimmels, wodurch die Grundlagen der Ortsbestimmungen und
Bewegungsmessungen für viele Millionen von Sternen, im Anschluß an die oben er-
wähnten fundamentalen, mit Auge, Fernrohr und Pendeluhr ausgeführten Orts-
bestimmungen der helleren Sterne, geschaffen werden. Das Hauptverdienst an dieser
Organisation hat die Pariser Sternwarte, aber auch das Potsdamer Observatorium hat
sich an diesen photographischen Aufnahmen eifrig und wirksam beteiligt.
Hie Messung der Geschwindigkeiten Von dem Potsdamer Observatorium ist
der Veränderungen des Abstandes aber am Anfange unseres Viertehhr-
zwischen uns und den Sternen. hunderte unter Führung und Mitarbeit
— von Vogel, der nun auch zu unserer
tiefen Trauer nach einer so hochverdienst-
lichen Wirksamkeit dahingeschieden ist, jenes bedeutsame neue Messungeverfahren für
die Bewegungen im Himmelsraume zur vollen Wirksamkeit erhoben worden, welches
uns auf der Grundlage der feinsten spektralen Zerlegung des Lichtes der Himmels-
körper im Anschluß an die Anregungen von Doppler — eigentlich sogar nach Analogie
der ersten Messung der Lichtgeschwindigkeit durch den Dänen Ole Noemer [Paris 16741
mittels der Deutung der Veränderlichkeit der Umlaufsperioden der Zupitermonde —
die Möglichkeit eröffnet hat, die Geschwindigkeiten der Veränderungen des Abstandes
zwischen dem Beobachter und einem leuchtenden Objekt bis auf Bruchteile des Kilo-
meters pro Sekunde zu bestimmen. Bekanntlich geschieht dies dadurch, daß man die
Veränderungen mißt, welche die Perioden der Lichtschwingungen und demgemäß
die Lichtwellenlängen durch jene Geschwindigkeiten erfahren.
Die Messungen dieser Geschwindigkeiten (jetzt kurz bezeichnet als Radialgeschwindig-
keiten) gewähren uns offenbar eine ganz entscheidende Ergänzung der bisher allein möglich
gewesenen Messungen derbloßen Ortsveränderungender Gestirne an der Himmelefläche.
Während die Größe dieserletzteren Ortsveränderungen, also der Winkelbewegungen,
nicht nur von der Größe der räumlichen Bewegungen, rechtwinklig zu der Gesichts-
linie (dem Visier-Radius), sondern auch von der Größe der Entfernung des Objektes ab-
hängig ist und bei sehr großen Entfernungen verschwindend klein wird, dann aber auch
durch die Zustände unserer Atmosphäre in ihrer optischen Meßbarkeit noch erheblich ein-
geschränkt wird, liegt die Sache ganz anders hinsichtlich der Meßbarkeit der Bewegungen
im Sinne der Radialgeschwindigkeiten. Hier hat die Größe der Entfernung des Objektes
keinen unmittelbaren Einfluß auf die räumliche Größe der bei der Messung in Frage
kommenden Erscheinungen, sondern nur mittelbar wird diese Messung erschwert
durch die in der größeren Entfernung eintretende Abnahme der Lichtstärke der zu beobach-
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