Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Vierter Band. (4)

  
XI. Buch. Deutsche Musik. 81 
  
darin, die in der ganzen neueren Opernliteratur nicht ihresgleichen hat: der Schluß 
des zweiten Altes, wo Lobetanz seine Mitgefangenen durch die grausige Ballade vom 
Zecher und dem Tod entsetzt und wo dann die gewaltigen Bläserakkorde des Marsches 
zum Nichtplatz erklingen. Darin steckt wirkliche Kraft und Größe. 
E. do#llbert. Die komische Oper ist durch Eugen d'Albert um ein anmutiges Stück 
— bereichert worden, das „Die Abreise“ heißt und auf einem überaus 
harmlosen Text von Steigentesch-Sporck beruht (1898). Wer von der Oiskrepanz absieht, die 
zwischen der Unschuld des Librettos und dem großen, reich bewegten Orchester besteht, dasteils 
von den „Meistersingern“, teils vom „Barbier von Bagdad“ abstammt, kann an der flotten, 
geistreichen, mit vielen amüsanten Einzelheiten ausgestatteten Musik seine helle Freude 
haben. Trotz vieler anderen Versuche hat es d'Albert nur noch einmal zu einem wirklichen 
Opernerfolg gebracht: mit „Tiefland“ (1903). Der Text von Rudolf Lothar (nach einem 
spanischen Stoff) ist bieran stark beteiligt, denn er hat Eigenschaften, die der Menge 
gefallen, eine gewisse brutale Energie in der einfachen Handlung, die einen leisen Bei- 
geschmack von Kolportageroman hat und eine knappe, kräftige Fassung. D'Albert ist 
hier vielleicht noch mehr Eklektiker als in andern Werken, aber er wählt und sichtet mit 
Geschmack und großer Kenntnis der szenischen Wirkung und ist so des Eindrucks, den er 
hervorrufen will, sicher. 
K. Strauß. Mit Richard Straußens Opern ist es ein eigen Ding. Dieser be- 
wegliche Geist hat in den letzten Zahren fast nur Bühnenmusik kom- 
poniert, dennoch halte ich ihn nicht für einen eigentlich dramatischen Komponisten in 
dem Sinne, wie Mozart oder Richard Wagner es gewesen sind, denn er vermag sich 
nicht so vollständig mit der Vorstellung eines dramatischen Vorwurfs zu erfüllen und 
unbeirrt aus dieser Vorstellung herauszuschaffen, wie jene es taten, ja, er bleibt in 
dieser Hinsicht selbst hinter weniger genialischen Künstlern, etwa Schillings oder Pfitzner 
zurück. Man hat bei ihm eher den Eindruck, daß er neben dem Drama steht und eine 
mehr oder minder geistreiche Musik dazu macht. Nach seinen Anfängen hätte man aller- 
dings annehmen können, daß er auf diesem Gebiete einmal ganz Hohes erreichen würde, 
denn sein „Suntram“" (1894), zu dem er auch die Dichtung verfaßt hatte, nimmt 
einen gewaltigen Anlauf. Daß das Werk als ganzes mißglückt ist, und daß es über 
Weimar binaus kaum Verbreitung gefunden hat, tut bei dieser Schätzung nichts zur 
Sache, denn es gibt Niederlagen, die ehrenvoller sind als Siege. 
Der Mißerfolg dieses ersten Bühnenwerkes scheint Strauß verstimmt zu haben, 
denn er gab während der nächsten Jahre seinem Schaffen wieder eine andere Richtung, 
aber 1901 sehen wir ihn aufs neue mit einer Oper hervortreten, mit der einaktigen 
„Feuersnot“, von Ernst von Wolzogen. Der Stoff ist eine ziemlich zotige Schnurre, 
die selbst für einen Einakter etwas zu dünn erscheint. Aber dieser Grundton wird nicht 
einmal ungestört beibehalten, denn ganz aus heiterm Himmel lassen die Autoren mitten 
im Stück eine Strafpredigt an die Münchener los, weil sie Richard Wagner und seinen 
legitimen künstlerischen Erben Richard Strauß nicht gut genug behandelt haben. Die 
Musik heftet sich nun im wesentlichen an das einzelne, nicht allein der Szene, sondern 
  
  
1613
	        
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