Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Vierter Band. (4)

  
114 Cheater. XI. Buch. 
  
In der bürgerlichen Gesellschaft tritt der Kaufmann gegen früher 
zurück, obgleich es an billigen Späßen gegen die Kommerzienräte 
ebensowenig fehlt wie an der Vorführung des Großkaufmanns, zu dem Björnsons 
„Fallissement“ die willkommene Vorlage geschaffen hatte. Daß nun Vertreter ver- 
schiedener Stände bürgerlicher Berufe auf die Bühne gebracht werden, ist nichts Neues. 
Man braucht nur an Ifflands „Spieler“ und „Zäger" oder, um erlauchtere Beispiele 
vorzuführen, an Otto Ludwigs „Erbförster“ oder an den Tischler in Hebbels „Maria 
Magdalena"“ zu erinnern. Der Unterschied besteht allerdings in zwei Momenten: dem 
einen, daß in den früheren Epochen der Stand etwas Zufälliges war, der nur einige 
äußere Lebensbedingungen bestimmte, dem anderen, daß sozialdemokratische Anschau- 
ungen darauf hingewirkt haben, gerade den Handwerkern einen 
breiteren Raum zu gewähren (die markantesten Topen hat hier 
Hauptmann in den „Webern“ geschaffen). Neu dürfte sein, daß die Diebe eine fast 
liebevolle Berücksichtigung finden, so daß Hauptmanns „Biberpelz“ geradezu eine 
Diebeskomödie heißt. 
Kaufleute. 
Handwerker. 
  
Gelehrte. Neben dem Handels- und Handwerkerstande tritt der Gelehrten- 
— — stand hervor. Die „zerstreuten Professoren“ der Fliegenden Blätter 
sind glücklicherweise verschwunden. Auch der Gelehrte hat sich modernisiert: er ist ent- 
weder der elegante Weltmann oder der ernste Forscher geworden. 
Schullehrer. Beliebter als die Professoren wurden die Schullehrer. Mazx 
Dreper („Der Probekandidat“, 1899) bahnte ihnen mit gutem 
Humor den Wegj die Lehrerkonferenz, jenes gefürchtete Gespenst, vor der die Schüler 
von ehemals und von heute zittern, erregte allgemeines Interesse, und die Mischung 
von pädagogischen Auseinandersetzungen und Lebenserfahrungen erfreute das Publi- 
kum, das sich gern durch Kindheitserinnerungen erfrischen läßt. Einen nicht minderen 
Erfolg erlangte Otto Ernst: Flachsmann als Erzieher (1901); einen noch weit 
größeren: Traumulus von Arno Holz und Oskar Jerschke (1902). Die Mischung 
von idealer Auffassung und Schulsuchserei, weltmännischem Treiben und Pedanterie, 
der Kampf der Schuljugend gegen die Autorität und die nicht immer heilsame Bevor- 
mundung in diesen Stücken rief humoristische, mitunter rührende Wirkungen hervor; die 
Lehrer erschienen teils als junge forsche Herren mit Reserveleutnantston und manieren, 
teils als schwächliche Idealisten und verhärtete Schulmeister, bis es Wedekind (Früh- 
lings Erwachen) beliebte, sie auch als Trottel dem allgemeinen Gelächter preis- 
zugeben. 
  
Selten wurden die Künstler bedacht (ogl. Hauptmann und Suder- 
mann und wenige Nachtreter), häufiger die Bohème: Holz: 
Sozialaristokraten (1896) und Ernst von Wolzogen: Lumpengesindel (1891), 
gelegentlich auch das Theater. 
Zos. Ruederer hat z. B. ein derbes Schmierenstück geschrieben: „Hinterm 
Schauspieler. 
  
1646
	        
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