XII. Buch. Das öffentliche Leben. 17
Recht, nur an die Kritik, die sie oft mit ätzender Schärfe und in verletzender Form
an Wenschen, Zuständen und Maßregeln üben und an die Opposition, die darin steckt,
und hält sie darum für besonders gefährlich. Daß der von ihrer Lauge oder ihrer
Narrenpritsche Getroffene mitlacht, das kann man höchstens von einem Sokrates er-
warten, der sich in den Wolken des Aristophanes über seine eigene Karikatur belustigt
freut. Und bei den anderen, den Nichtgetroffenen ist es vielfach nur boshafte Schaden-
freude über die Hiebe, die hier ausgeteilt werden. Es kann aber auch noch etwas
anderes und soll etwas Besseres sein auch hier: — die befreiende Wirkung, die vom
Komischen, Witzigen, Grotesken, Karikierten ausgeht. Ein Hochstehender, ein großer
Mann drückt und droht zu erdrücken: das macht ihm nicht lauter Freunde, sondern zieht
ihm auch vielfach Abneigung zu und Reid und Haß. Da tut es gut, ihn auch einmal im
Spiegel des Witzes anders, unter sich zu sehen und über ihn lachen zu dürfen. Lachen
macht frei, und so werden wir durch den Witz befreit von dem Gefühl des Drückenden und
Erdrückenden, der eigenen Kleinheit und Inferiorität, weil wir uns einen Augenblick
über den Großen stellen und ihn auslachen dürfen. Oder ein Regierungserlaß ärgert und
verstimmt uns: nun wird er in einem Witzblatt verhöhnt, von seiner schwachen, vielleicht
törichten Seite gezeigt, und so merken wir, daß man sich auch in lustiger Weise mit
ihm abfinden kann, daß wir uns nicht zu ärgern brauchen, weil wir uns über seine komische
Seite freuen können. Oas ist die Katharsis als Wirkung der Witzblätter, die uns von
Furcht und Mitleid, vom Gefühl der Demütigung und von aller sonstigen Verstimmung
reinigt und freimacht. Wer dagegen unmittelbar, nachdem er ein Witzblatt gelesen hat,
über die Menschen und ODinge, die darin verhöhnt und verspottet werden, weiter schimpft,
an dem ist Hopfen und Malz des Witzes verloren, der ist ein humorloser Geselle.
Freiheit der Presse. Um aber der Ausdruck der öffentlichen Meinung sein und
auf das öffentliche Leben wirken zu können, muß die
Presse frei sein. Es ist für das deutsche Volk als Volk der Denker und der Dichter
überaus bezeichnend, daß unter den freiheitlichen Forderungen des Jahres 1848 die
der Preßfreiheit immer obenan zu stehen pflegte. Nur als freie kann die Presse wirken.
Daher muß sie ihre Meinung offen heraus sagen und ihre Kritik unbehindert üben
dürfen; sonst hat sie ebensowenig Wert wie ein Professor, der auf dem Katheder seine
Lehre nicht frei vortragen, der nicht profiteri darf, wovon er innerlich überzeugt ist.
Nur wenn wir wissen, daß die Blätter frei reden dürfen, können wir Vertrauen haben
zu dem, was sie sagen, und ihnen Glauben schenken für das, was sie berichten.
So ist die Preßfreiheit mit Recht gefordert und erfreulicherweise erkämpft worden,
die Zensur ist abgeschafft, die nicht bloß das Hochkommen der Presse verhindert, sondern
auch dadurch korrumpierend gewirkt hat, daß durch sie und als Waffe gegen sie jener
gefährliche Stil des Anspielens, des Augenzwinkerns und des Halbsagens aufgekommen
war, ein giftiger Stil, der den Charakter verdarb und die Sitten des Volkes übel beein-
flußte; heute ist das nicht mehr notwendig; darum ist, wer so schreibt, entweder ein Feig-
ling oder ein aus böser Lust mit vergifteten Waffen Kämpfender: Hic niger est, hunc tu,
Romane, cavetol
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