XIll. Buch. Das öffentliche Leden. 25
Stammesgenossen das Zusammengehörigkeitsgefühl aufrecht zu halten suchen. Ooch ist
das ganz unpolitische und harmlose Stilleben, das sie zu führen pflegen, auch wieder
ein Zeichen davon, daß der Partikularismus im Deutschen Reich aufgehört hat, eine
Macht zu sein und Einfluß auszuüben. Gerade sie haben keine öffentliche Bedeutung
mehr, sondern sind zu betrachten wie die Vereine ehemaliger Schul- und Klassen-
genossen aus Schulpforta oder Schöntal: sie pflegen Heimats- und Zugenderinnerungen,
vergnügen sich in ihrer heimatlichen Weise und freuen sich am Hören ihres heimischen
Dialekts, das ist alles.
Krieger-, Wehr- und Sanz anders modern und viel bedeutungevoller sind im
Zeitalter eines die Geister in allen großen Völkern und
Staaten erfüllenden „Imperialismus“ die Krieger- und
Wehr- und Flottenvereine. Namentlich der Deutsche Flottenverein hat Großes ge-
leistet: neben der energischen Initiative unseres Kaisers ist er es gewesen, der die Volks-
stimmung in seinem Sinn bearbeitet und seinen Flottenplänen zugänglich gemacht
und dem Volk das Verständnis für ihre Notwendigkeit erschlossen, unsere Reichstags-
abgeordneten für die Bewilligung der nötigen Mittel gewonnen und die Minister durch
den Rückhalt an der auf diese Weise entfachten Begeisterung weiter Kreise ermutigt hat,
mit den großen Forderungen für die Flotte vor den Reichstag zu treten. So kann er
stolz auf seine Erfolge von der heute erreichten respektabeln Größe und Stärke derselben
sagen: quorum pars magna fui! Hand in Hand damit gehen die Bestrebungen des Ko-
lonialvereins, aufklärend auf die Massen zu wirken, ihnen die Augen zu öffnen für den
Wert von Kolonien überhaupt und unserer deutschen Kolonien insbesondere und Stim-
mung zu machen für den Erwerb und die Entwicklung derselben und für die Opfer, die zu-
nächst einmal dafür zu bringen sind, wie der Kaufmann Geld in sein Geschäft stecken
muß, um es prosperieren zu machen und Gewinn daraus zu ziehen. Und ähnlich wirkt
der Wehrverein, dem wir es doch mit zu verdanken haben, daß durch die letzte große Wehr-
vorlage lange Hinausgeschobenes nun auf einmal hereingeholt, die allgemeine Wehr-
pflicht endlich zur Wahrheit gemacht und den drohenden Machtverschiebungen und Ver-
wicklungen gegenüber die Schlagfertigkeit des deutschen Heeres aufs vollkommenste her-
gestellt wurde, und daß diese Vorlage so fraglos vom Volke hin- und unter dem Druck
dieser Volksstimmung mit so großer Mehrheit vom Reichstag angenommen worden ist.
So notwendig wie die Arbeit des Flottenvereins ist freilich die des Wehrvereins nicht.
Die Flotte kennen aus eigener Anschauung nur wenige und kennt man nur an der Water-
kant: das Landheer kennen wir alle. Der Dienstzeit verdankt man das weitverbreitete
Interesse an unserem Heer, das so breitbeinig und kraftvoll in unserem öffentlichen Leben
obenan steht; und die unpolitischen Kriegervereine sorgen dafür, daß der kriegerische Geist,
dem die Friedensvereine hoffentlich noch recht lange vergeblich entgegenwirken, in unserem
Volk nicht ausstirbt und die Freude daran und der Stolz darauf nicht nur in der Gegen-
wart, sondern auch in der Erinnerung an die verlebte Dienstzeit oder an mitgemachte Kriege
und miterfochtenen Siege unter uns lebendig bleibt. Daß dabei gelegentlich viel Hurra
geschrien wird, gehört nun einmal zum Wesen solcher Massenansammlungen überhaupt
Flottenvereine.
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