Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Vierter Band. (4)

  
4 Ruchlick und Ausblic. Schlußwort. 
  
Deutschlands ändern mußten, sollte das Deutsche Reich sich behaupten an dem Platze in 
der Sonne, der ihm durch Kaiser Wilhelm J. und seinen großen Kanzler errungen worden 
war. Heute hat die überwältigende Mehrheit der Nation verstanden, daß Deutschland 
seinen Fortschritt gerade deshalb auf neuen Wegen suchen mußte, weil die alten fast 
überall zum Ziele geführt hatten. 
Es ist noch nicht an der Zeit, ein abschließendes Urteil zu fällen über den jüngsten 
Abschnitt unserer nationalen Entwicklung. Denn wir stehen noch selbst inmitten dieser 
Entwicklung, deren letzte Ziele und Möglichkeiten wir noch kaum zu erkennen vermögen. 
Eins aber steht heute fest: Wir haben wieder große Hoffnungen und Erwartungen, die 
vorwärts gerichtet sind auf die Vollendung der seit mehr als zwei Jahrzehnten neu be- 
schrittenen Wege. Das ist ein unschätzbarer nationaler Wert, ein Erfolg, der die Arbeit 
der letzten 25 Friedensjahre doch wohl lohnend macht. Erich Marcks sagte bei der 
Gedächtniefeier der Universität Leipzig für den Fürsten Bismarck 1898: „Er hat uns 
sein Werk vererbt als das Edelste und Teuerste, was wir als Volk heute besitzen. 
— — — — Zmmer Neues werden wir von ihm erfahren und immer wandeln wird 
sich uns und unseren Nachkommen nach menschlicher Art sein Bild; erst eine ferne 
Zukunft wird ihm und seiner Schöpfung ihre Stelle im großen Zusammenhange der 
deutschen Geschichte endgültig anweisen. Wird sein Reich das letzte Wort deutscher 
Staatsbildung sein? Ist er der Vollender oder erst der Beginner der germanischen 
Größe?“ Hier die deutliche Abnung, ja Überzeugung: trotz der gewaltigen Erfolge 
gibt es kein Ausruhen für uns, neue Ziele und neue Wege sind uns gesteckt. Wer ist 
der Führer? 
Wenn wir der Zeit seit dem Tode Kaiser Friedrichs den Namen Kaiser Wilhelms II. 
geben, so bedeutet das mehr als nur die äußere Benennung eines Zeitabschnittes nach 
dem Monarchen. Gerade das erste Vierteljahrhundert der NRegierung unseres Kaisers 
straft jene politische Theorie Lügen, die den Einfluß des Herrschers auf den Charakter 
und die Ziele seiner Zeit nicht mehr anerkennen will. Dieser Einfluß wird gewiß ge- 
sichert durch die Summe der Regentenrechte, die die Verfassungen Preußens und Deutsch- 
lands dem König und Kaiser zuweisen. Aber unabhängig von allem Staatsrechte werden 
monarchisch empfindende Bölker dem Geist und Willen ihrer Herrscher immer mehr 
folgen als es ihnen selbst und der Umwelt zum Bewußtsein kommt. Und das um so mehr, 
wenn der Geist eines Monarchen stark und der Wille fest ist. Das deutsche Volk, dieses 
am innerlichsten und tiefsten monarchische der Völker Europas ist von 1888—1913 
aus dem Volke Kaiser Wilhelms I. geworden zum Volk Kaiser Wilhelms II. Zn unserm 
Kaiser drückt sich der Geist der neuen Zeit aus und in unserer Zeit der Geist unseres 
Kaisers. Wie schroff auch immer die Gegensätze in der Nation sein mögen, wie hart in 
Parlament und öffentlicher Meinung auch die Ansichten aufeinanderstoßen, die Tat- 
sache steht fest, daß der Kaiser und die überwältigende Mehrheit des deutschen Volkes eins 
geworden sind in den nationalen Zielen. Und auf vielen und vielleicht den wichtigsten 
Gebieten war es der Kaiser, der die Nation seinen Uberzeugungen gewonnen, an seine 
Zdeen glauben gelehrt hat. Gerade die Ereignisse von epochaler Bedeutung: die Wendung. 
von der reinen Kontinentalpolitik zur Weltpolitik und im unmittelbaren Zusammenhange 
1698
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.