140 Physik. X. Buch.
matisch herleiten lassen. Diese Ableitungen fanden wenig Beachtung. Als aber Hein-
rich Hertz 1888 experimentell nachweisen konnte, daß die bei einem elektrischen Funken
auftretenden Störungen sich wie Lichtstrahlen im Naum fortpflanzen und daß sich die
„Strahlen elektrischer Kraft“, wie er sie nannte, hinsichtlich der Reflexion und Brechung
genau wie Lichtstrahlen verhalten und sogar einer Polarisation fähig sind, war die von
Mazwell ausgesprochene Vermutung zur Tatsache geworden. Schon im ZJahre 1857
batte Feddersen in Leipzig beobachtet, daß der Entladungsfunke einer Leidener Flasche
oszillatorischen Charakter trägt. Jedoch war diese Beobachtung vergraben und vergessen.
Sie erschien nunmehr durch die Hertzschen Versuche neu erstanden und von fundamen-
taler Wichtigkeit wieder. Mühselig waren die Hertzschen Versuche, besonders aus dem
Grunde, weil der Nachweis der Strahlen außerordentlich schwierig war, und weil der
Mensch kein elektrisches Sinneswerkzeug besitzt, das die elektrischen Schwingungen un-
mittelbar ebenso empfindet, wie das Auge das Licht empfindet.
Kurz nach den Hertschen Entdeckungen beobachtete Branly, daß lockeres Metall-
pulver dem elektrischen Strome einen großen Widerstand bietet, daß aber dieser Wider--
stand fast vollständig verschwindet, wenn das Metallpulver von elektrischen Schwingungen
getroffen wird. Auf dieser Tatsache gründet sich die Konstruktion des sogenannten
Kohärers oder Fritters, mit dem die elektrischen Schwingungen im Raum bequem
nachgewiesen werden können. Stellt man einen Stromkreis her, der ausm eine galvani-
schen Element, einer Klingel und einer mit losem Metellpulver gefüllten Glasröhre besteht,
so wird das Metallpulver beim Auftreffen von elektrischen Schwingungen leitend, der
Strom wird geschlossen und die Glocke ertönt. Die Empfindlichkeit des Branlyschen
Kohärers kann soweit gesteigert werden, daß man die sich im Raum ausbreitenden
elektrischen Wellen noch in großer Entfernung von dem die elektrischen Schwingungen
anregenben elektrischen Funken nachweisen kann. Es erschien als ein Phantasiegebilde,
wenn hier und da die Vermutung ausgesprochen wurde, daß man vielleicht Signale
von einem Orte zu einem anderen durch elektrische Wellen auf größere Entfernungen
würde übertragen können.
Hrahtlose Telegraphie. Ooch dieses scheinbare Pbhantasiegebilde ist heute durch
die drahtlose Telegraphie nicht nur zur Wirklichkeit ge-
worden, sondern über alle Erwartung übertroffen. Die Verdienste Marconis, der so-
wohl an dem Sendefunken, wie auch an dem empfangenden Kohärer einen frei in den Luft-
raum ragenden Draht anbrachte und dadurch sowohl das Ausbreitungsgebiet der elektrischen
Wellenvergrößerte als auch eine größere Menge der inden Wellen enthaltenen Energieindem
Kohärer auffing, dürfen nicht unerwähnt bleiben. Marconi versuchte vorwiegend auf rein
technischem Wege die Reichweite der elektrischen Wellen durch Verstärkung der Energiequelle
zu vergrößern, indem er mächtige elektrische Maschinen zum Speisen des Gebefunkens be-
nutzte und am Geber die in den Raum ausgestrahlte Energiemenge durch Luftdrähte
(Antennen) vergrößerte und ebenso durch mächtige an der Empfangsstation angebrachte
Antennen einen relativ hohen Prozentsatz der Energie wieder einfing. Einen wesentlich
anderen Weg zur Rutzbarmachung des durch die Hertzschen Versuche angeregten Prinzips
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