Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Vierter Band. (4)

  
X. Buch. Phrxsik. 141 
  
schlug F. Braun ein. Er erkannte, daß die von den Entladungsfunken ausgehenden 
elektrischen Schwingungen außerordentlich mannigfaltiger Art und akustisch etwa ver- 
gleichbar sind mit einem mächtigen Paukenschlag. Würde man die Schwingungen mehr 
denen eines akustischen Tones ähnlich machen können, so würde man am Empfänger 
die Resonanzwirkung ausnutzen können, die schon mit kleinen Energiemengen einen 
gleich gestimmten Körper zum Schwingen bringt. Außerdem würde man den Vorteil 
erreichen, daß Geber und Empfänger zueinander abgestimmt werden können, und zwar 
so, daß ein Geber von bestimmter Schwingungszahl immer nur auf einen Empfänger 
von derselben oder wenigstens von benachbarter Schwingungszahl wirken würde, 
während er auf einen nicht abgestimmten Empfänger wirkungslos bleiben würde. Nach 
sorgfältiger theoretischer Entwickelung und mühsamen Laboratoriumsezxperimenten dehnte 
er dann um die Jahrhundertwende seine Versuche auf größere Entfernungen mit Er- 
folg aus. 
Fast gleichzeitig mit Braun hatte Slaby in Berlin an der Ausbildung 
der drahtlosen Telegraphie gearbeitet. Leider bekämpften sich beide 
Forscher Jahre hindurch zum Schaden der deutschen Industrie, so daß die englische Marconi- 
Gesellschaftfreie Hand hatte, umsich manche Geschäftsabschlüsse zusichern, die bei einmütigem 
Zusammengehen der beiden deutschen Forscher vielleicht nicht zustande gekommen wären. 
Daher atmete manin allen wissenschaftlichen und technischen Kreisen Deutschlands erleichtert 
auf, als es 1903 zur Verschmelzung der beiden Sosteme Slaby und Braun und der auf 
Grund dieser Syfsteme gebildeten Gesellschaften kam. Die Bereinigung zu der Gesell- 
schaft „Telefunken“ war der Grundstein zu dem Weltruf der deutschen drahtlosen 
Telegraphie. Ein weiterer Fortschritt von grundlegender Bedeutung wurde durch den 
Dänen Poulsen geschaffen, dem es gelang, sogenannte ungedämpfte Schwingun- 
gen mit Hilfe des singenden Lichtbogens zu erzeugen. Zedoch wurde seine Erfin- 
dung sehr bald abgelöst durch Benutzung des von M. Wien in Hanzig erfundenen so- 
genannten Löschfunkens, mit Hilfe dessen man auf der Gebestation eine außerordent- 
lich pohe Energiemenge in Form von reinen elektrischen Schwingungen in den freien 
Luftraum senden kann; zugleich erreichte man eine Abstimmung von einer bis dahin 
unerwarteten Höhe und Genauigkeit. Hierdurch wurde zugleich die instrumentelle Grund- 
lage für eine drahtlose Telephonie geschaffen, deren Entwickelung soeben begonnen 
bhat. Man kann die Erfindung der drahtlosen Telegraphie und ihren spstematischen Aus- 
bau auf wissenschaftlicher Grundlage bis zur höchsten technischen Vollkommenheit als 
die Frucht eines durch und durch deutschen Fleißes ansehen. 
Die Hertzsschen Versuche, die durch die drahtlose Telegraphie eine so eminente prak- 
tische Anwendung erfahren haben, sind gleichzeitig der Ausgangspunkt wichtiger Unter- 
suchungen und Forschungen auf dem Gebiete der theoretischen Physik geworden. Zu 
dieser Entwickelung haben natürlich auch die anderen Entdeckungen auf den verwandten 
Sebieten: die Kathodenstrahlenforschung, die Radioaktivität u. a. ihren Teil beigetragen. 
Sie lassen sich zusammenfassen in den Fragen nach der Natur der Elektrizität, nach der 
Art der Ausbreitung elektrischer Kräfte und nach der Zurückführung der physikalischen 
Telefunken. 
  
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