Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Vierter Band. (4)

  
146 · Physit. X. Buch. 
  
gebracht wird und dann als Lichtquelle dient, wird es verwandt. Da das Quarzglas 
noch für die äußersten Teile des ultravioletten Lichts durchsichtig ist, so kann man mittels 
einer aus Quarzglas hergestellten Quecksilberbogenlampe die Wirkung des ultravio- 
letten Lichts studieren und diese Strahlen zu mancherlei Zwecken z. B. auch als Heil- 
mittel bei der Erkrankung organischer Gewebe benutzen. 
Erforschung tiefster Temperaturen. Wir haben hiermit das Gebiet der ho- 
Flüssige Luft. hen Temperaturen berührt und schließen 
hieran die Fortschritte, die mit der Er- 
schließung des Gebietes tiefster Temperaturen verbunden sind. Als es im 
Jahre 1877 Cailletet in Paris und Pictet in Genf gelungen war, die Bestand- 
teile der Luft durch Anwendung niedriger Temperatur zu verflüssigen, war der früher 
angenommene Unterschied zwischen den koerziblen und permanenten Gasen beseitigt. 
Die Verflüssigung der Luft erforderte aber so große Maschinen und eine solch kom- 
plizierte Apparatur, daß das Studium der Eigenschaften flüssiger Luft nur wenigen 
ermöglicht worden war, und daß wohl niemand an eine praktische Anwendung der 
flüssigen Luft dachte. Auf Grund eingehenden Studiums der Gasgesetze und der be- 
sonderen Eigenschaften einiger Gase gelang es 1895 v. Linde in München, die Luft 
nach einem neuen Verfahren zu verflüssigen, das darauf beruht, daß sich komprimierte 
Luft bei ihrer Entspannung abkühlt. Das Verfahren ist so einfach, und die auf dieses 
Verfahren gegründete Verflüssigungsmaschine nimmt einen so geringen Raum ein, daß 
die phosikalischen Laboratorien, denen nicht allzu beschränkte Geldmittel zur Verfügung 
stehen, eine solche Maschine anschaffen konnten. Da außerdem die Handhabung der 
Maschine leicht von gewöhnlichen Arbeitern erlernt werden kann, so befaßten sich einige 
Fabriken direkt mit der technischen Herstellung flüssiger Luft, die sie zu einem relativ 
niedrigen Preise an jedermann verkaufen. Die flüssige Luft siedet bei einer Temperatur 
von etwa —190° C. Während sie bei dieser Temperatur teilweise in den luftförmigen 
Zustand übergeht, nimmt sie die hierzu erforderliche Wärme aus den noch flüssigen Teilen 
der Luft und kühlt diese selbständig wieder ab. Daher kann sie in einem offenen Gefäß 
eine Zeitlang aufbewahrt werden, wenn das Gefäß von außen möglichst gegen Aufnahme 
von Wärme geschützt wird. Zur Aufbewahrung der flüssigen Luft dienen die sog. Dewar- 
schen Gefäße, die eine Vervollkommnung der schon früher von Weinhold in Chemnitz 
konstruierten Gefäße darstellen. Sie bestehen aus einem Glasgefäß mit doppelten Wan- 
dungen. Der Zwischenraum zwischen den beiden Wandungen ist luftleer, daher kann 
die Wärme aus Mangel an einem Transportmittel nicht von außen nach innen gelangen. 
Die Wärmeausstrahlung wird durch Versilberung des Gefäßes verhindert. Die heute 
unter dem Namen Thermosflaschen für wenig Geld im Handel erhältlichen Gefäße, 
in denen warme Getränke sehr lange warm und kalte Flüssigkeiten sehr lange kalt ge- 
halten werden können, sind im wesentlichen Dewarsche Gefäße. 
  
  
Edelgase. In der flüssigen Luft sind alle ihre Bestandteile in flüssigem Zustande ent- 
—— halten. Da diese Bestandteile bei verschiedenen Temperaturen sieden, so 
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