Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Vierter Band. (4)

  
X. Buch. ODie Chemie. 161 
  
Lanthan lehrte 1902 Muthmann kennen. Neuerdings scheint das Aluminiumnitrid 
für die Gewinnung von Ammoniak technische Bedeutung zu erlangen. 
Metallkarbide. Wie bei der Reduktion der Oxyde durch Kohlenstoff im elektrischen 
Ofen bereits mitgeteilt wurde, entstehen dabei leicht Metallkarbide. 
So entdeckte E. G. Acheson 1893 in Amerika, als er auf Edisons Anregung im elek- 
trischen Ofen durch Auflösung von Kohlenstoff in geschmolzenem Aluminiumsilikat künst- 
liche Diamanten herzustellen versuchte, das Siliziumkarbid oder Karborundum, das infolge 
seiner außerordentlichen Härte als Bohr- und Schleifmittel verwendet wird. Karborun- 
dum und die Karbide verwandter Elemente entstehen durch unmittelbare Vereinigung 
der Elemente mit Kohlenstoff im elektrischen Ofen, in dem Moissan eine größere An- 
zahl von ihnen darstellte: Borkarbid, Chromkarbid, Wolframkarbid, von Alkalikarbiden 
das Lithiumkarbid, von Erdalkalikarbiden das wichtige, von Wöhler 1862 entdeckte 
Kalziumkarbid, ferner Baryum- und Strontiumkarbid, von Erdmetallkarbiden das Cer-, 
Lanthan-, BDttrium-, Thorium- und das Aluminiumkarbid, das Mangankarbid und das 
Urankarbid. 
Die Karbide mögen den Ubergang zur Erörterung der Fortschritte der organischen 
Chemie bilden. Für den Aufbau anderer Kohlenstoffverbindungen sind allerdings nur 
die Karbide von Bedeutung, die sich leicht in die entsprechenden Wasserstoffverbindungen 
umwandeln lassen, also die mit Wasser Azetylen und Methan gebenden Karbide. Am 
wichtigsten ist das Kalziumkarbid, das technisch zur Darstellung des für die Beleuchtungs- 
industrie wichtigen Azetpylens und durch Erhitzen im Stickstoffstrom zur Bereitung des 
als Düngemittel wertvollen Kalkstickstoffs, dem Kalziumsalz des Zyanamids, verwendet 
wird. Das Aluminiumkarbid gibt dagegen, mit Wasser zersetzt, glatt Methan. 
  
Bei der Schilderung der Fortschritte 
der anorganischen Chemie haben wir 
nur wenige Forschungsrichtungen verfolgen können. Noch viel schwieriger ist die Aus- 
wahl in der organischen Chemie bei der überwältigenden Fülle neuer Entdeckungen. 
Hier wird das Gesamtbild noch mehr Lücken zeigen mühssen. 
Einer besonderen Aufmerksamkeit der Naturforscher erfreuten sich von jeher die me- 
dizinisch oder technisch wertvollen Pflanzen- und Tierstoffe. Seit der 1828 erreichten 
künstlichen Darstellung des Harnstoffs durch Wöhler steckte sich die organische Chemie 
das Ziel, auch die am verwickeltsten zusammengesetzten Tier- und Pflanzenstoffe aufzu- 
bauen. Dem Aufbau oder der Synthese ging der Abbau, die Analpse voraus, die auf 
Grund der Valenztheorie einen Einblick in die Konstitution, die Bindungsweise der die 
Moleküle zusammensetzenden A#tome ermöglichte und so die theoretischen Voraussetzungen 
für die Synthese schuf. War durch die Synthese die Konstitution festgestellt, so hamdelte 
es sich darum, der betreffenden Tier- oder Pflanzensubstanz, sowie ihren Umwandlungs- 
produkten den richtigen Platz im System der Kohlenstoffverbindungen anzuweisen. Wenn 
sich auch die organische TChemie ursprünglich an der chemischen Untersuchung der Pflanzen- 
und Tierstoffe entwickeln mußte, so wuchs doch besonders nach Aufstellung der Valenz- 
theorie und der Theorie der aromatischen Substanzen durch Aug. Kekulé die Zahl der 
Entwicklung der organischen Chemie. 
  
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