Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Vierter Band. (4)

  
164 Die Chemie. X. Buch. 
  
stoff ausgingen. Ganz nahe war schon 1863 Adolf Baeper diesem Ziel gekommen, der 
das Uramil in Pseudoharnsäure überführte, aus der E. Fischer und L. Ach 1895 durch 
Wasserentziehung Harnsäure bereiten lehrten. 1898 gelang es E. Fischer, den Grund- 
körper dieser Gruppe, das Purin selbst, und schließlich auch alle anderen oben genannten 
Verwandten der Harnsäure spnthetisch darzustellen. 
Auf tierphpysiologischem Gebiet sind zwei Entdeckungen 
von hervorragender Bedeutung anzuführen. 1905 
entdeckte E. Baumann das Vorkommen von JFod in der Schilddrüse. Es gelang ihm, 
eine 9proz. Jod enthaltende organische Substanz unbekannter Struktur, das Thyrojodin, 
herauszuarbeiten und so eine wissenschaftliche Grundlage für die medizinische Behand- 
lung der Schilddrüsenerkrankungen zu schaffen. 1901 isolierte der Zapaner Jokichi 
Takamine aus dem Nebennierenextrakt in reinem Zustand das Adrenalin oder Suprare- 
nin, wie Otto von Fürth diese merkwürdige Substanz nannte, mit der er sich schon 
früher beschäftigt hatte. Hermann Paulgy einer- und der Engländer Lowett andererseits 
klärten 1904 die Konstitution des Adrenalins auf, der Chemiker Friedrich Stolz der 
Höchster Farbwerke gewann es in demselben Jahre sonthetisch. Das Adrenalin ist phop- 
siologisch und pharmakologisch von hervorragender Wichtigkeit, da es selbst in sehr ge- 
ringen Mengen eine hochgradige Steigerung des Blutdruckes, verbunden mit einer Kon- 
traktion der peripheren Gefäße hervorruft. 
Tier- und Pflanzenfarbstoffe. Schwierige chemische Aufgaben bilden die 
Blut- und Gallenfarbstoffe, ferner das Chloro-- 
phoyll, die Cholsäure, das Cholesterin, sehr verwickelt zusammengesetzte Substanzen, über 
die eine Reihe ausgezeichneter Arbeiten von Marchlewski aus Krakau, Piloty, 
Willstätter, Diels, Abderhalden, Windaus u. a. vorliegen, ohne daß dadurch die 
Konstitution der genannten Verbindungen weit genug aufgeklärt worden wäre, um an 
ihre Sonthese herangehen zu können. Indessen glaubt man die Verwandtschaft von 
Bilirubin, Hämoglobin und Chlorophpll dadurch erwiesen zu haben, daß man aus ihnen 
chemisch nahe miteinander verwandte Substanzen erhalten hat. Während im Hämoglobin 
Eisen vorhanden ist, enthält, wie Willstätter 1906 bewies, das Chlorophyll Magnesium 
als wesentlichen Bestandteil. « 
Eine ähnliche Verwandtschaft, wie sie zwischen Blutfarbstoff und Chlorophyll 
besteht, findet sich öfter bei Tier- und Pflanzenstoffen. So ist der Farbstoff der Cochenille- 
Schildlaus, die Karminsäure, ein mit dem Alizarin, das im Krapp vorkommt, verwandtes 
Anthrachinonderivat, wie Dimroth kürzlich fand. Der antike Purpur, aus dem Sekret 
der Purpurschnecke gewonnen, ist, wie 1909 Paul Friedländer bewies, identisch mit 
einem spnthetisch dargestellten Dibromindigo, also dem Indigo der Indigoferaarten 
ganz nahe verwandt. 1890 gelang es Heumann, auf Grund der von A. Baeyer analytisch 
und sonthetisch 1880—1882 abgeleiteten Konstitution die erste Darstellungsmethode des 
Indigos in der Alkalischmelze von Phenylglyzin oder Phenplglpzinorthokarbonsäure und 
darauf folgende Ozpdation zu ermitteln, die in verschiedenen Formen zu technisch brauch- 
baren Verfahren der Indigogewinnung in deutschen Teerfarbenfabriken ausgebildet 
wurde. Die gelben Farbstoffe des Gelbholzes: Morin, des Wau: Luteolin, der Quer- 
Thyrojodin. Adrenalin. 
  
  
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