X. Buch. Die Chemie. 173
trischem Phosphor durch Meisenheimer, mit aspmmetrischem Schwefel und Zinn durch
die Engländer F. Challenger und F. S. Kipping, mit aspmmetrischem Kobalt, Eisen,
Chrom und Rhodium durch Werner. Die Isomerien, die sich bei olefinischen Substanzen
fünden, haben schon van't Hoff und Le Bel stereochemisch zu erklären versucht. Die experi-
mentelle Brücke zwischen der Isomerie olefinischer und optisch aktiver Substanzen stell-
ten Aug. Kekulé und R. Anschütz bereits 1880 und 1881 her, indem sie durch Oxyda-
tion Fumarsäure in Traubensäure und Maleinsäure in Mesoweinsäure überführten.
g. Wislicenus hat den Mechanismus der Ubergänge der olefinischen Isomeren, die er
als agxial- und plansymmetrische Modifikationen unterscheidet, ineinander auf Anlage-
rung und Abspaltung der die Polpmerisation bewirkenden anorganischen Moleküle zurück-
geführt. Die Unzulänglichkeit dieser Erklärung bewiesen N. Anschütz, sowie der Ameri-
kaner A. Michagel. Die Versuche diese Ubergänge zu erklären, die von Vorstellungen über
das Wesen der mehrfachen Bindung von Kohlenstoffatomen ausgehen, ziehen sich bis
in die Gegenwart hinein.
Schon van ''t Hoff äußerte die Ansicht, daß das Auftreten optischer #ktivität bei
Kohlenstoffverbindungen durch Enantiomorphismus der Molekularkonfiguration ver-
anlaßt werden könne, ohne daß ein aspmmetrisches Kohlenstoffatom in der Verbindung
vorhanden sei. Experimentell begründeten 1909 die Engländer W. H. Perkin und
W. F. Pope in Gemeinschaft mit O. Wallach diese Auffassung. Von 1883 ab beginnen
A2r#rbeiten von P. Walden in Riga über die nach ihm benannte „Waldensche Umkehrung“,
das heißt, die gegenseitige Umwandlung optisch aktiver Antipoden ineinander. Diese
Arbeiten brachten in erster Linie die Annahme ins Wanken, daß die vier Valenzen eines
Kohlenstoffatomes im Naum nach den Ecken eines dem Kohlenstoffatom umschriebenen
regulären Tetraeders gerichtet seien, eine Annahme, die schließlich bei manchen zu der
eigenartigen Vorstellung geführt hatte, das Kohlenstoffatom selbst habe Tetraederform.
In gleicher Richtung wirkten die Erfahrungen über wechselseitige Umwandlung olefi-
nischer Isomeren, ferner die Erscheinungen der sogenannten Tautomerie, die intramole-
kularen Atomverschiebungen, das Ausbleiben von Analogiereaktionen, das mehr oder
weniger leichte Eintreten von Anlagerungs- und Abspaltungsreaktionen. Untersuchungen
über die Abhängigkeit der verschiedensten Reaktionen von Substanzen aus gleicher homo-
loger Reihe von der Konstitution ließen die verschiedene Affinitätsbeanspruchung durch
ein und dieselbe Gruppe deutlich hervortreten. Betrachtungen über die Alfinitätsbe-
anspruchung des Kohlenstoffatomes ergaben sich auch aus der Entdeckung des Triphenyl-
methyls oder Hexaphenpläthans durch den Amerikaner Somberg (1900), zu deren Ver-
allgemeinerung und Deutung die Arbeiten von Sch midlin und Schlenk wesentlich bei-
trugen. Eine große Zahl von Forschern haben sich mit der Untersuchung der von Conrad
Laar seinerzeit als Tautomerieerscheinungen gekennzeichneten Reaktionen beschäftigt.
Die Annahme Laars, daß derartige Verbindungen aus einem beständig in Neubildung
begriffenen Gemisch der Strukturisomeren bestehen, indem ein leicht bewegliches Wasser-
stoffatom zwischen zwei Gleichgewichtslagen oszilliert, hat sich als unhaltbar erwiesen.
Denn 1896 fanden ziemlich gleichzeitig Ludwig Claisen, A. Hantzsch und Schultze,
der Holländer Hollemann, W. Wislicenus und Knorr bei einer Anzahl tautomerer
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