Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Einleitung. $ 2. 11 
b) nicht souveräne Staaten, d. h. solche, tiber welche 
einem höheren politischen Verbande eine beschränkte Herr- 
schaft zusteht. 
Die Grundlehren unserer Staatswissenschaft sind zum größten 
Teil an der Hand des Einheitsstaates entwickelt worden®?, Die 
für diesen gefundenen Resultate dürfen aber nicht ohne weiteres 
auf die Staatenverbindungen übertragen werden, sie sind in bezug 
auf letztere mannigfacher Modifikationen fähig und bedürftig. Im 
folgenden werden die staatsrechtlichen Grundbegriffe zunächst für 
den Einheitsstaat entwickelt, während sich eine spätere Erörterung 
mit den Verhältnissen der Staatenverbindungen und den für diese 
geltenden besonderen Grundsätzen beschäftigt. 
II. Der Einheitsstaat. 
1. Die Grundlagen des Staates. 
8 2. 
Der Staatist einaufein bestimmtes Gebiet basiertes 
menschliches Gemeinwesen. Die Grundlagen desselben ! 
sind daher: 
1. eine Menge von Menschen als persönliche Grundlage. 
Den Inbegriff der im Staate geeinigten Menschen bezeichnet 
man als Volk im politischen Sinne. Verschieden davon ist 
Volk im natürlichen Sinne oder Nation?e Das Volk in 
bietskörperschaft ist, einen universellen Gemeinzweck hat und Selbst- 
genügsamkeit besitzt. Die beiden ersten Merkmale sind zweifellos zu- 
treffend. Der Begriff der „Delbetgenü samkeit“ aber ist, auch nach den 
weiteren Erläuterungen, welche der Verfasser (a. a. O. 113) gibt, zu un- 
bestimmt, um darauf eine juristische Charakterisierung stützen zu können. 
32 Dies erkennt auch Haenel a. a. O. 73ff. an. Ebenso Anschütz, 
Enzyklop. 13. 
ı Jellinek, Staatal. 394 ff. 
® Vgl. Fr. J. Neumann, Volk und Nation (1883); Lamprecht, Deutsche 
Geschichte 1 1ff.; v. Herrnritt, Nationalität und Recht (1899); Jellinek, 
Staatsl. 116 ff.; Anschütz, Enzyklop. 5, 6; A. Kirchhoff, Zur Verständigung 
über die Begriffe Nation und ationalität (1905); F. Meinecke, Weltbürger- 
tum und Nationalstaat (2. A. 1911) 1ff.; Stier-Somlo, Preuß. Staatsrecht 
(1906) 1 30 fi. 
» Die Gegenüberstellung von „politisch“ und „natürlich“ will sagen, 
daß nicht jedes politisch organisierte (geeinte) Volk — Volk im politischen 
Sinne, Staatsvolk — ein solches im natürlichen Sinne, eine Nation darstellt. 
Ein Volk ist und heißt eine Nation dann, wenn es eine Gemeinsamkeit, eine 
Einheit ist auch abgesehen von dem rechtlichen Ausdruck dieser Einheit, 
dem Staat, — auch dann, wenn es nicht oder noch nicht (Deutsche und 
Italiener vor ihrer Einigung) oder nicht mehr (Polen nach der Zerstörung 
ihres Staates) staatlich geeint ist. An welchen Merkmalen aber erkennt man 
diese außerstaatliche Einheit? Es sind deren mehrere hervorgehoben worden: 
die Gemeinsamkeit der Abstammung („natio“, von nasci), der Rasse, der 
Sprache, der Religion, der Kultur im allgemeinen. Allein diese Begriffs-
	        
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