Object: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

Hetzreden gegen Deutschland, so spielte Großfürst Nikolaus, als er 
auf einem französischen Dampfer einen Trinkspruch ausbrachte, un— 
verhüllt auf einen baldigen russisch-französischen Krieg gegen Deutsch- 
land an. Richt dem Buchstaben nach, aber tatsächlich war die russisch- 
französische Allianz bereits geschlossen. Rußland konzentrierte infolge 
der Vorgänge kn Bulgarien große Truppenmassen an der österreichi- 
schen und preußischen Grenze. Weiter erließ der Zar einen gegen 
Deutschland gerichteten Ukas, durch den allen Fremden, d. h. Deut- 
schen, verboten wurde, in Rußland Grundbesitz zu erwerben, Fürst 
Bismarck antwortete mit der zweifellos recht verhängnisvollen Maß- 
nahme, daß er der Reichsbank die Beleihung russischer Papiere ver- 
bot, womit er Rußland den deutschen Geldmarkt verschloß und es in 
die Arme Frankreischs trieb. Die Atmosphäre war so mit Span- 
nung geladen, daß die Gewehre eigentlich seden Augenblick losgehen 
konnten. 
Und diese Situation war eingetreten, obwohl Bismarck nach dem 
endgültigen Scheitern des seit 1881 bestehenden Dreikakserbündnisses 
im Juni 1887 den nachmals so berühmt gewordenen Rückversiche- 
rungsvertrag mit dem Zaren geschlossen hatte! Nie und nimmer 
hätte dessen Borhandensein an sich einen Krieg zwischen Rußland 
und Deutschland verhindert oder, wäre im damaligen Augenblick ein 
Krieg mit Frankreich ausgebrochen, uns die russische Meutralität ge- 
sichert. Es steht für mich außer Zweifel, daß der Bertrag in vielen 
Beziehungen überschätzt worden ist, und daß er nicht mehr als eine 
Aushilfe im verwickelten Spiel des großen Kanzlers mit den fünf 
Kugeln bedeutet hat. 
Der Zar war damals auch persönlich in hohem Maße gegen 
Deutschland, von dem er sich hinters Licht geführt glaubte, gereizt 
und verärgert. Die Ursache waren die sogenannten Bulgarischen 
Fälschungen. Als Nachfolger des im September 1886 endgültig 
abgedankten Prinzen Alexander von Battenberg hatten die Bulgaren 
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