Full text: Kriegswucherstrafrecht.

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Heereslieferungsverträgen benötigte Material zu beschaffen. Wo ein solcher 
Konflikt begründet ist, muß unter verständiger Anwendung allgemein gülliger 
Rechtsgedanken die Erfüllung der weniger wichtigen Pflicht hinter der höheren 
zurücktreten. Daß die höhere Pflicht in unferm Beispielsfall die Pflicht der 
Versorgung der militärischen Streitkräfte ist, kann keinem Zweifel unterliegen. 
So hat denn auch das RG. die aus den §§ 9, 18 der Bundesratsverordnung 
vom 5. Januar 1915 über die Bereitung von Backwaren entspringenden 
Pflichten ausscheiden lassen, „wenn ihre Durchführung. näheren, unmittelbaren 
von einer zuständigen Militärbehörde verfolgten Zwecken der Reichswohlfahrt, 
insbesondere dem unabweisbaren Bedürfnis einer schlagfertigen Land= und 
Seestreitkraft, beispielsweise der rechtzeitgen Versorgung unserer Schiffe mit 
den notwendigen Lebensmitteln zuwiderlaufen würde“.2) 
B. 1. Während das Gesetz in der ursprünglichen Fassung nur für den 
Kleinhandel Geltung beanspruchte, hat es durch seine späteren Neuredigie- 
rungen Bedeutung für ziemlich alle Handelskreise erlangt. Gerade um die 
Festsetzung von Höchstpreisen auch für den Großhandel zu ermöglichen, 
erging die Bekanntmachung über Höchstpreise vom 28. Oktober 1914 (RGBl. 
S. 458), durch die die Festsetzung von Höchstpreisen nunmehr dem Bundesrat 
übertragen wurde. Denn sollte eine Erstreckung der Höchstpreise auch auf den 
Großhandel erreicht werden, so war dies nur ausführbar, wenn in Zukunft die 
Festsetzung der Höchstpreise nach einheitlichen Gesichtspunkten und von einer 
Stelle aus erfolgte. 
2. Wir haben so heute zu unterscheiden zwischen Höchstpreisen, die für den 
Großhandel, und Höchstpreisen, die für den Kleinhandel festgesetzt sind. An die 
Preise der ersten Kategorie sind auch diejenigen gebunden, die als Er- 
zeuger oder Wiederverkäufer in den Handel eingreifen. Denn als 
Kleinhändler kommen lediglich diejenigen Personen in Betracht, die die Ware 
unmittelbar an Verbraucher abgeben. Dabei gilt als „Verbraucher“ 
nach dem Wortsinn sowie dem Sprachgebrauch derjenige, der die Ware ihrer 
letzten Bestimmung, der Verzehrung durch Essen, Trinken, Verfüttern 
oder — insoweit allerdings mit starken sich aus den folgenden Ausführungen 
  
31) S. Urteil des III. Senats vom 5. Juli 1915, L.3. 1915 S. 1234 Nr. 14. 
Darin liegt eine Anerkennung des von v. Lilienthal, 3. f. ges. Strafr. 
Wissensch. Bd. 20 (1900) S. 442, als eines allgemeinen vertretenen Rechts- 
gedankens, „daß der Zweck einer Handlung die zu seiner Erreichung notwendigen 
Mittel als nicht rechtswidrig erscheinen läßt, sofern er selbst als rechtlich notwendig 
zu betrachten ist". Ahnlich Graf Dohna, Die Rechtswidrigkeit, 1905, S. 50. 
S. übrigens schon Bindings (HeDB. I. 1885 S. 771) Lehre von der schuld- 
ausschließenden Pflichtenkollision. Zur Lösung von Einzelfragen werden 
die uns hier entgegentretenden Gesichtspunkte auch sonst verwandt, so von v. Liszt, 
20. Aufl. S. 158, zur Rechtfertigung des ärztlichen Eingriffs, von Olshausen 
zu § 222 sub 3, um eine zur fahrlässigen Tötung führende Pflichtenvernachlässigung 
wegen der Verfolgung einer höheren Pflicht zu rechtfertigen.
	        
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