56 2. Buch. 2. Abschnitt. Verfassungsrecht des Deutschen Reiches.
8 29. Der rechtliche Charakter des Deutschen RNeichs.)
Nach der herrschenden Meinung ist das Deutsche Reich ein Bundes-
staat.") Die Untertanen der Einzelstaaten sind auch Untertanen des
Reiches. Reichsgesetze verpflichten Einzelstaaten und deren Staats-
angehörige unmittelbar.
Die Souveränitäts?) ruht bei „der Gesamtheit der ver-
bündeten Regierungen“ (Bismarck), die sich durch Abgesandte
zum Bundesrat vertreten lassen.
Zweiter Abschnitt.
Verfassungsrecht des Deutschen Reiches.
Erstes Kapitel.
8 30. Herrschaftsbereich (Staatsgebiet).
Nach Art. 1 der NV. besteht das Bundesgebiet aus den Staaten
Preußen mit Lauenburg"), Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden,
Hessen, Mecklenburg-Schwerin, Sachsen-Weimar, Mecklenburg-Strelitz,
Oldenburg?), Braunschweig ), Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg,
Sachsen-Koburg-Gotha7), Anhalt, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarz=
1) Laband, Staatsr. Bd. 1 S. 51 ff. v. Seydel, Kommentar S. 22 ff. Haenel,
Staatsr. Bd. 1 S. 202 ff. Meyer, Staatsr. S. 185 ff. Arndt, 1. c. S. 49 ff.
Brie, Theorie S. 98. Zorn, Staatsr. Bd. 1 S. 75 ff.
2) Nach Sendel, Rehm ist das Deutsche Reich ein Staatenbund.
:) Arndt a. a. O. S. 52 nimmt eine Teilung der Souveränität unter Reich
und Einzelstaaten an.
4) Das Herzogtum Lauenburg ist mit Preußen seit dem 13. September 1865 in
Personalunion verbunden. Erst durch das pr. Ges. v. 23. Juni 1876 (GS. S. 169) ist
es Preußen einverleibt worden. Deshalb war in Art. 1 seine Erwähnung als Bundes-
gebietsteil noch erforderlich. — Helgoland ist durch Vertrag vom 1. Juli 1890 von
England dem deutschen Kaiser und von diesem an das Deutsche Reich abgetreten
worden. Durch Reichsgesetz v. 15. Dezember 1890 (RGBl. S. 207) ist die
Insel in das Bundesgebiet ausgenommen und mit Preußen vereinigt worden durch
pr. Ges. v. 18. Febr. 1891 (GS. S. 11), wobei es dem Schleswig-Holsteinischen
Kreise Süderdithmarschen zugeteilt wurde. Die Reichsverf. (außer Abschnitt VI
betr. Zoll= und Handelssachen) gilt für sie zufolge des Reichsges. v. 15. Dez. 1890.
Bi n et seinen drei Teilen: Herzogtum Oldenburg, Fürstentum Lübeck, Fürstentum
irkenfeld.
6#) Braunschweig steht gegenwärtig unter der Regentschaft des Prinzen Albrecht
von Preußen. Der letzte Herzog Wilhelm starb am 18. Oktober 1884 ohne Leibes-
erben. Seine nächsten Agnaten waren die Welfen (hannoversche Linie). Da der
Nächstberechtigte, Herzog von Cumberland, dem ehemaligen König Georg von Hannover
zugeschworen hat, nie auf Hannovers Wiedererlangung zu verzichten, gilt er als an
der aktuellen Ausübung der Regierung behindert. An seine Stelle ist der von der
Landesversammlung gewählte Regent getreten. Über die Regentschaft ist ein Gesetz
vom 16. Febr. 1870 erlassen, dessen § 6 durch Gesetz vom 4. Dezember 1902
authentisch dahin interpretiert worden ist, daß die Regentschaft auch nach dem Tode
des jetzigen Thronfolgeberechtigten weiterdaure, wenn der nächste Agnat wiederum
behindert sei.
7) In Realunion 1826, 1852.