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punkte aufzustellen. Die unterscheidenden Merkmale liegen sowohl auf materiell-
rechtlichem, wie prozessualem Gebiete.
Reichsrecht und Landesrecht haben bestimmte Rechtssachen dem Rechts= bezw.
Verwaltungsweg ausschließlich zugewiesen. Es sind sowohl Zivilrechtsansprüche auf
den Verwaltungsweg, wie öffentlichrechtliche auf den Zivilrechtsweg gewiesen worden.
Es findet sich auch eine kumulative Anordnung, wobei die Zivilklage entweder un-
abhängig oder abhängig vom vorgängigen Verwaltungsstreitverfahren ist. Auch
stofflich findet eine Teilung des Streitstoffes statt, sodaß die Verwaltungsgerichte
die öffentlichrechtliche, die ordentlichen Gerichte die privatrechtliche Frage zu ent-
scheiden haben. Immerhin wird man als wesentlich unterscheidendes Kriterium
zwischen Verwaltungsgerichtsbarkeit und der gerichtlichen Tätigkeit ansehen können#),
daß erstere niemals, wie die gerichtliche Tätigkeit regelmäßig, ursprünglich auftrin.
Sie stellt sich kraft ihrer zur Souveränität gehörigen Verwaltungshoheit als Kon-
trolle einer anderweitigen behördlichen Tätigkeit dar und verbürgt den Rechtsschutz
gegen staatliches Handeln. Die verwaltungsgerichtliche Entscheidung bezweckt eine
rechtliche Bindung der Behörden und eine Festlegung staatlicher Verwaltungsmaß-
nahmen. Anders charakterisiert sich die rein gerichtliche Tätigkeit. Sie bezweckt
den Schutz des Privatrechts, der Individualinteressen. Selbst wenn der Verletzende
der Staat (Fiskus) oder staatliche Behörde ist, so richtet sich die Klage nicht gegen
den in der Handlung liegenden Staats= oder öffentlichrechtlichen Verwaltungsakt,
sondern nur gegen die schädigende Handlung. Damit steht auch in Zusammen-
hang, daß für die Abgrenzung der Justiz= und Verwaltungssache der Verfolgung
der Individualinteressen und der Gesamt= und Gemeininteressen eine wenn auch
nicht entscheidende, so doch sehr wichtige Rolle zukommt (vgl. Stier-Somlo, a. a. O.
S. 57). Bei der Verwaltungsrechtspflege handelt es sich nach Otto Mayer a. a. O.
Bd. 1 S. 177, 178 um den Erlaß eines obrigkeitlichen Verwaltungsaktes unter
Zuziehung der beteiligten Untertanen als Partei im Sinne des Zioilprozesses mit
der Wirkung der Rechtskraftfähigkeit des Aktes. Die erkennenden Gerichte, welche
eigenartig für die Verwaltungsrechtspflege bestellt sind, handeln wie ein Gericht bei
Entscheidung bürgerlicher Rechtsstreitigkeiten. Ein Gegensatz zu den Gerichten zeigt
sich in der Art der Behörden, von welcher die Verwaltungstätigkeit geübt wird.
Bei den Organen der Verwaltungsrechtspflege finden sich dieselben Kautelen, wie
bei den Zivilgerichten, nämlich Unabhängigkeit des erkennenden Gerichts, gesetzlich
geregeltes Verfahren, Instanzenzug.
Bei der Verwaltungsstreitsache unterscheidet man ursprüngliche und nach-
trägliche. Zu ersterer zählen diejenigen Verhältnisse, welche von vornherein eine
Nachprüfung der behördlichen Entscheidungen im Instanzenzuge eröffnen. Bei der
nachträglichen Verwaltungsstreitsache ergeht zunächst die obrigkeitliche Entscheidung
ohne besondere Form. Nur in dem Falle, wo die Beteiligten sich nicht dabei
beruhigen, findet auf ihren Antrag eine neue Prüfung und Entscheidung statt,
und zwar in der Form der Verwaltungerechtspflege. Die Sache wird nachträglich
Verwaltungsstreitsache. Die erfolgende Nachprüfung kann auf bestimmte Punkte
beschränkt sein, z. B. auf die Rechtsfrage oder die gesetzlichen Voraussetzungen, oder
aber die Nachprüfung kann positiv in gewissen Punkten z. B. bezüglich der Zweck-
mäßigkeit der betroffenen behördlichen Anordnung ausgeschlossen sein. In diesen
Fällen spricht man von einer beschränkten Verwaltungsrechtspflege; den Gegen-
satz dazu bildet die volle Verwaltungsrechtspflege, bei welcher das Gesetz ohne
Vorbehalt das Verwaltungsstreitverfahren für zulässig erklärt hat und das ganze,
in Frage kommende Rechtsverhältnis zu prüfen und festzustellen ist (ogl. O. Mayer,
Bd. 1 S. 180, 188).
2. Allgemeines über das Verwaltungsstreit= und Zivilprozeßverfahren.
Die allgemeine Struktur des Verwaltungsstreitverfahrens wird im Gegensatz
zum Zivilprozeßverfahren beeinflußt durch den Gegenstand, der zur Entscheidung
steht, und die bei dem Rechtsstreit beteiligten Personen. Während im Zidvilprozeß
der Regel nach nur Normen des Privatrechts Gegenstand der Verhandlung und
1) Vgl. Vierhaus im Verw.-Arch. Bd. 11, (1903) S. 240, 241; ferner Tezner,
ebenda, Bd. 8 S. 487 ff., Bd. 9 S. 100 ff.