Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Organe. 8 126. 493 
durch geheime Abstimmung®. Die Zusammensetzung der Aus- 
schüsse ist für jede Session des Bundesrates bzw. mit jedem 
Jahre zu erneuern, wobei die ausscheidenden Mitglieder wieder 
wählbar sind. 
Diese Ausschüsse entwickeln keinerlei selbständige 
Tätigkeit. Sie haben in erster Linie die Aufgabe, die Be- 
schlüsse für den Bundesrat vorzubereiten; außerdem unterstützen 
sie den Kaiser und die von ihm bestellten Behörden in Ausübung 
ihrer Funktionen, indem sie .entweder zwischen ihnen und den 
Einzelregierungen vermitteln oder bei der Vornahme gewisser 
Norwaltungshandlungen ihr Gutachten oder ihre Zustimmung er- 
teilen ”, 
Eine besondere Stellung nimmt der Bundesratsausschuß für 
die auswärtigen Angelegenheiten? ein. Er dient nicht 
zur Vorbereitung von Bundesratsbeschlüssen (hierzu würde es an 
der nötigen Voraussetzung fehlen, denn die auswärtige Politik ist 
nicht Sache des Bundesrates, sondern des Kaisers?), sondern — im 
wesentlichen — nur zur Entgegennahme von Mitteilungen der 
Reichsregierung (d. h. des Kaisers) über die auswärtige Politik. 
Deshalb ist Preußen in ihm nicht vertreten; er besteht aus den 
Bevollmächtigten der Königreiche Bayern, Sachsen und Württem- 
berg, und zwei vom Bundesrate alljährlich zu wählenden Bevoll- 
mächtigten anderer Bundesstaaten. Bayern führt den Vorsitz; der 
bayerischen Regierung steht es demgemäß zu, den Ausschuß ein- 
zuberufen. 
Den Ausschüssen werden die zu ihren Arbeiten nötigen 
Beamten zur Verfügung gestellt. 
8 126. 
Die Mitglieder des Bundesrates! haben nicht 
den Charakter von Beamten des Reiches, sondern den von Be- 
vollmächtigten der einzelnen Regierungen. .Sie sind 
an die Instruktionen ihrer Regierung gebunden und für die Er- 
Komm. zu Art, 8 Nr. II. Anderer Ansicht: Laband, StR a. a. O. 3. Aufl. 
250; vgl. aber 5. Aufl, 1 287; Haenel, Organisatorische Entwicklung der 
deutschen RV 30 N. 1; Westerkamp a. a. O. 290 N. 8; Binding in der 
DJZ 4 72. 
6 RevGO $ 18. 
? Über die Praxis unterrichtet gut v. Jagemann a. a. O. 85 ff. 
8 Vgl. unten $ 190. Zur Entstehungsgeschichte dieses, der nordd. BV 
unbekannten, erst durch die Novemberverträge von 1870 eingeführten Aus- 
1006) 91 sn usch, Die Kämpfe um Reichsverfassung und Kaisertum 1870/71. 
® Vgl. oben $ 121, unten $ 190. 
! Aloys Vogels, Die staatsrechtliche Stellune der Bundesratsbevoll- 
mächtigten (1911); derselbe im ArchÖffR 27 69 ff.; Perels, Stellvertretende 
Bevollmächtigte zum Bundesrat (Kieler Festgabe für Haenel (1907) 255 ft.); 
Pohl, Der Bundesratsbevollmächtigte im Reichstag (Bonner Festschrift für 
Zitelmann, 1913). 
G. Meyer-Anschütz, Deutsches Staatsrecht. 1I. 7. Aufl. 32