Full text: Archiv für öffentliches Recht.Achter Band. (8)

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Rechte. Dass der Kaiser ein von Bundesrath und Reichs- 
tag angenommenes Gesetz zu sanctioniren sich geweigert hätte, 
ist noch nie vorgekommen, und so konnten auch die anderen 
gesetzgebenden Factoren zu einer solchen Weigerung nicht 
Stellung nehmen. Dies scheint dafür zu sprechen, dass der 
Kaiser die Sanction für seine verfassungsmässige Pflicht ansieht 
und sich kein Veto zuschreibt. Andererseits konnte doch in dem 
oben erwähnten Falle?) der Reichskanzler unter Billigung des 
Kaisers und, ohne nachher im Bundesrathe Widerspruch zu finden, 
die Beförderung einer vom Bundesrathe beschlossenen Gesetzes- 
vorlage an den Reichstag im Namen des Kaisers diesem gegen- 
über aus materiellen Gründen verweigern. Praktisch war dies 
nichts anderes als ein antecipirtes kaiserliches Veto. Mit der 
gleichen Berechtigung konnte dasselbe Verfahren auch zur An- 
wendung kommen, wenn eine Gesetzesvorlage nach erfolgter An- 
nahme durch den Reichstag und Bundesrath seitens des Reichs- 
kanzlers dem Kaiser unterbreitet werden sollte, und dann war 
das kaiserliche Vetorecht bei der Sanction in vollem Umfange 
zur Geltung gelangt. 
Bei jetziger Lage der Sache muss die Frage nach der recht- 
lichen Existenz eines kaiserlichen Vetos als eine offene betrachtet 
werden. Das kaiserliche Veto entspricht der Rechtslogik, es ist 
eine Forderung der politischen und staatsrechtlichen Ausgestaltung 
des Kaiserthums, welches als eine später eingeschobene Ver- 
fassungsformation sich neben und zum Theil auf Kosten der 
beiden anderen verfassungsmässigen Organe erst Geltung ver- 
schaffen musste. Die Tendenz der Rechtsbildung geht also auf 
ein kaiserliches Veto. Erst die Behandlung künftiger Präcedenz- 
fälle durch die gesetzgebenden Factoren des Reiches wird aber 
einen wirklichen Rechtssatz nach der einen oder der anderen 
Richtung entwickeln können. Da nun aber die Rechtsordnung, 
28) Vgl. Note 23.
	        
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