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Das Einschreiten gegen Seeräuber ist Sache der Staaten;
die Durchführung der Festnahme hat mithin nur durch ihre
Organe zu erfolgen. Das sind in erster Linie die Kriegsschiffe;
ausserdem kämen hierfür allenfalls noch Schiffe in Betracht, die
sich durch besonderen staatlichen Auftrag als hierzu berechtigt
legitimieren können. Kauffahrteischiffe haben ein Recht zur Fest-
nahme von Piraten ohne diesen staatlichen Auftrag nicht; für
sie beschränkt sich das Vorgehen gegen Seeräuber, mit denen
sie zusammenstossen, auf das durch die Notwehr Bedingte °®.
Diese Einschränkung schliesst jedoch das Recht zur Vernichtung
des Schiffes und der Mannschaft nicht aus, wenn nur dadurch
die in dem Angriff liegende Gefahr abzuwehren ist ”°.
Einer besonderen Berücksichtigung bedarf noch die Ansicht
STIELs 3°, wonach deutschen Kauffahrteischiffen die Befugnis zu-
stehen soll, auf frischer Tat betroffene Seeräuber auf Grund des
$ 127 der deutschen Strafprozessordnung vorläufig festzunehmen ®!.
Diese Befugnis, die nach STIELs Angabe in der völkerrechtlichen
Literatur „durchweg übersehen“ ist, könnte, wenn sie überhaupt
besteht, nur für solche Schiffe in Frage kommen, die, selbst an-
gegriffen, den Seeräuber überwältigen, oder für Schiffe, die einem
von Piraten angefallenen Schiffe zu Hilfe kommen. Aber auch
in diesen Fällen ist die Anwendbarkeit des 8 127 StPO. ausge-
schlossen, einmal weil die Strafprozessordnung, soweit nicht be-
besondere Vorschriften ihr Anwendungsgebiet erweitern %, nach
78 So auch GAREIS bei v. HOLTZENDORFF Ill, 575 f.; ULLMANN 214.
Siehe auch $ 41 der Seemannsordnung vom 2. Juni 1902.
7% 5. GAREIS bei v. HOLTZENDORFF Il, 576.
® 4,4.0. 521, 78.
si Abs. 1, der hier in Frage kommt, lautet: „Wird jemand auf frischer
Tat betroffen oder verfolgt, so ist, wenn er der Flucht verdächtig ist oder
seine Persönlichkeit nicht sofort festgestellt werden kann, jedermann befugt,
ihn auch ohne richterlichen Befehl vorläufig festzunehmen.“
2 So z.B. 88 19, 52 ff. des Ges. über die Konsulargerichtsbarkeit vom
7. April 1900 (RGBl. 213) und $$ 2—4 des Ges. betr. die Rechtsverhältnisse
der deutschen Schutzgebiete vom 25. Juli 1900 (RGBl. 809).