— 436 —
biete und über das Gebiet schalten und walten? Deshalb wohl,
weil dieses Volk als völkerrechtliche Persönlichkeit positive
Eigentumsbefugnisse am Gebiete hat und weil sich diese Befug-
nisse tatsächlich so vollziehen, dass die Glieder dieser wirklichen
Persönlichkeit, die Volksgenossen sich sesshaft machen, sich be-
wegen, untereinander verkehren, den Boden bebauen und be-
nutzen. Die Ausübung des dem Ganzen zustehenden Rechts
durch die Teile des Ganzen ist dann Gegenstand der Ordnung
durch die im Verbande geltenden Gesetze. Das völkerrechtliche
Recht des Staates am Staatsgebiete erhält seine Ausführung
nicht bloss durch die staatlichen Rechtssätze über Staatsange-
hörigkeit, sondern durch das staatliche Recht überhaupt, nament-
lich auch durch das Zivilrecht.
Es wird von RADNITZKY, Archiv für öffentl. Recht Bd. XX
S. 337 der Einwand erhoben, dass ein doppeltes Eigentum, das
völkerrechtliche Eigentum des Staates selbst und das Privat-
eigentum der Bürger am Grund und Boden also „eine doppelte
ausschliessliche und totale Herrschaft“ nicht möglich sei. Es
ist aber darauf hinzuweisen, dass es zwei verschiedene Rechts-
ordnungen sind, welche die Beziehungen zum Gebiete ordnen,
einerseits das Völkerrecht und anderseits die staatliche Rechts-
ordnung. Das völkerrechtliche Eigentum des Staates schliesst
nicht aus, dass das staatliche Recht in näherer Ausführung der
völkerrechtlichen Berechtigung des Ganzen, die Ausübung durclhı
die Teile des Ganzen ordnet und hierbei das gewährt, was wir
Privateigentum nennen. Die „ausschliessliche und totale Herr-
schaft“ des Privateigentums ist bloss eine relative; sie hat sich
innerhalb der gesetzlichen Schranken zu bewegen. Die Ordnung
wäre auch so denkbar, dass Kollektiveigentum, periodische Neu-
verteilung des Bodens etc. eingeführt würde. Das Privateigentum
kann bestehen, auch wenn sich das völkerrechtliche Eigentum des
Staates ändert und Aenderungen des Privateigentums berühren
anderseits das völkerrechtliche Eigentum in keiner Weise.