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stellen hat (RGEntsch. Strafs. Bd.12 S.2). Eine Ausnahme
von diesem Grundsatz kann nur durch eine besondere reichs-
rechtliche Bestimmung geschaffen werden. Eine solche Bestim-
mung gibt es für den vorliegenden Fall nicht. Selbst wenn der
819 II. 9 ALR. vor Erlass der Reichsstrafprozessordnung
den Strafrichter an die Vorentscheidung der Adelsbehörde ge-
bunden hätte, ob die vierundvierzigjährige ruhige Adelsführung
des Prätendenten für erwiesen, oder die durch sie begründete
Vermutung für widerlegt zu erachten sei, so wäre diese Be-
schränkung gemäss Art. 2 der Reichsverfassung mit der Ein-
führung der Reichsstrafprozessordnung durch deren 8 260 beseitigt
worden. Denn zur Fortdauer jener Beschränkung hätte es einer
besonderen reichsgesetzlichen Bestimmung bedurft, die entweder
die Beschränkung dem 8 260 StrPO. gegenüber ausdrücklich
aufrechterhielt oder wenigstens landesrechtliche Vorschriften sol-
chen Inhalts [S. 6] zuliess, woraus dann nach allgemeinen Grundsätzen
die Aufrechterhaltung der früheren landesgesetzlichen Vorschriften
gleichen Inhalts zu folgern gewesen wäre. Eine solche reichs-
rechtliche Bestimmung ist aber nicht ergangen.
Darum lässt sich für die vorliegende Streitfrage auch nicht
der — in der Hauptverhandlung vom Oberstaatsanwalt selbst
nicht mehr zur Begründung der Revision herangezogene —
staatsrechtliche Grundsatz verwerten, dass dem Könige von
Preussen alle Rechte verblieben sind, deren er sich durch die
preussische Verfassung nicht ausdrücklich entäussert hat. Denn
selbst wenn der König oder die von ihm delegierte Adelsbehörde
das Recht gehabt hätte, mit prozessualisch bindender Kraft für
den Strafrichter eine Entscheidung über die obenerwähnte Be-
weisfrage auf Grund des $19 II. 9 ALR. zu trefien, so wäre
jetzt dies Recht gemäss Art. 2 der Reichsverfassung durch den
8 260 StrPO. aufgehoben.
Ebenso versagt hier der Hinweis, dass der Strafrichter nicht
über die Nichtigkeit eines Patentes selbständig entscheiden dürfe,