— 200 —
d. R. (4. Aufl.) IV S. 372 und im (kleinen) Reichsstaatsrecht (4. Aufl.) S. 367
ausgeführt, dass die Aufnahme oder Emission der Reichsanleihen durch
Verkauf der Rententitel erfolgt, dass aber die Schuld bei Schatzan-
weisungen eine Darlehnsschuld, bei Anleihen ohne Fälligkeit eine Renten-
schuld ist; und an dieser Ansicht haben mich die Ausführungen des Verf.,
welche für Nichtjuristen etwas Bestechendes haben mögen, (siehe z. B.
Köppe im Bankarchiv VII S. 190) nicht irre gemacht.
Der Verf. weist ferner (S. 55 fg.) sehr richtig nach, dass es sich bei
sämtlichen öffentlichen Anleihen, auch wenn der Staat der Anlehnsschuldner
ist, um Rechtsgeschäfte privatrechtlichen Charakters handelt, „bei
welchen der Staat nicht kraft seiner Autorität wie bei der Einziehung einer
Steuer vorgeht, vielmehr wie ein Privatmann Verträge schliesst“. Für die
Beurteilung des Rechtsverhältnisses kommt dasjenige Recht zur Geltung,
welches zur Zeit des Vertragsabschlusses (der Emission) am Erfüllungsort
gilt. (S. 62 ff... Allein der Verf. macht eine wesentliche Einschränkung.
Er unterscheidet, ob die Gläubiger Untertanen des schuldnerischen Staates
oder Ausländer sind. Der inländische Gläubiger und der im Inlande wohnende
Ausländer, der ihm rechtlich gleichsteht, untersteht der Gesetzgebungs-
gewalt des Staates und ist sonach der rechtlichen Möglichkeit ausgesetzt,
dass ihm der Staat mittelst der gesetzgebenden Gewalt das wieder ent-
zieht, was er ihm vertragsmässig schuldet. „Von einem Rechtsbruch könne
also nicht gesprochen werden, wenn der Staat durch einen Akt der Gesetz-
gebung den Inhalt des Forderungsrechts modifiziert“. Dagegen bestehe
zwischen dem auswärtigen Gläubiger und dem kontrahierenden Staat neben
den vertragsmässig begründeten Rechten und Verpflichtungen kein recht-
liches Verhältnis; der Staat könne also an seinen vertragsmässigen Ver-
pflichtungen auf keine Weise, auch nicht im Wege der Gesetzgebung
irgend eine Aenderung vornehmen. (S.58 ff.) Diese Unterscheidung führt
der Verf. durch sein ganzes Buch konsequent durch, insbesondere hinsicht-
lich der vorzeitigen Rückzahlung, Konversion und Konsolidation, Zinsen-
reduktion und Kuponsteuer. Die ausländischen Besitzer würden hiernach
in vielen Beziehungen eine bessere, jedenfalis gesichertere Stellung haben
als die inländischen und man könnte z. B. den deutschen Kapitalisten nur
raten, die preussischen Obligationen nach Süddeutschland und die der süd-
deutschen Staaten nach Preussen zu verkaufen. Es ist nicht notwendig.
die bedenklichen, ja gradezu unmöglichen Konsequenzen der vom Verf.
aufgestellten 'Theorie im Einzelnen zu erörtern; der Grundgedanke, auf
welchem sie beruht, ist die unrichtige, aber immer noch nicht ganz über-
wundene Zerreissung des einheitlichen Staats in zwei Personen, eine privat-
rechtliche und eine öffentlich-rechtliche. Der Staat als Fiskus verspricht
dem Gläubiger 4 Prozent Zinsen; sobald die Anleihesumme bezahlt ist.
kommt derselbe Staat als Gesetzgeber und befiehlt, dass nur 3 Prozent
bezahlt werden; als Fiskus verspricht er eine Tilgung durch Verlosung;