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lin, auf Grund der Beibringung weiterer Beweise von neuem
strafrechtlich verfolgt zu werden. —
Es kann aber überhaupt nicht anerkannt werden, dass die
in dem 819119. ALR. enthaltene Gesetzesbestimmung den Straf-
richter an die Entscheidung der Adelsbehörde binden wollte und
jemals gebunden hat [S. 10]. Die Vorschriften über den „Ausweis des
Adels“ in den $$ 17ff. a.a. O. sind Billigkeitsrücksichten ent-
sprungen. Der Gesetzgeber hat erwogen, dass, je mehr Zeit
vergehe, der Beweis des Adelsrechts, namentlich infolge Ver-
lustes von Urkunden, desto schwerer werde oder doch wenigstens
erschwert werden könne, und er hat deshalb unter anderem
bestimmt, dass unter dieser Erschwerung des Beweises nicht der-
jenige leiden solle, der sich vierundvierzig Jahre hindurch adli-
ger Prädikate ruhig bedient hat, sondern derjenige, der in dieser
langen Zeit ausgiebig Gelegenheit gehabt hat, den Prätendenten
zum Beweise seines Adelsrechts zu nötigen, dies aber unterlassen
hat. Dies aber ist der Staat, dessen passives Verhalten unter
solchen Umständen die Annahme eines mindestens stillschwei-
genden Anerkenntnisses gestattet. Darum ist im 819 a.2.0.
vorgeschrieben, es solle für denjenigen, der sich während jenes
langen Zeitraumes adliger Prädikate ruhig bedient hat, die recht-
liche Vermutung streiten, dass ihm der Geschlechtsadel wirklich
zukomme, das heisst — aus der Sprache des Landrechts über-
setzt — die Beweislast wird umgekehrt: nach einer so lange
Zeit fortgesetzten ruhigen Adelsführung hat nicht mehr der Prä-
tendent sein Recht zu beweisen, sondern ihm ist der Mangel
seines Rechts nachzuweisen.
[S. 11]. Der 819 a. a. O. stellt also eine jederzeit durch Gegen-
heweis widerlegbare Vermutung auf. Daraus folgt, dass jene Gesetzes-
vorschrift nicht die Ersitzung des Adelsrechts, sondern
nur eine Vermutung für die Rechtmässigkeit des tatsäch-
lichen Gebrauchs eines Adelsprädikates und damit zwar eine
Vermutung für das Adelsrecht, aber eben auch bloss eine