— 219 —
lich nicht a priori an, sie durchlaufen vielmehr zumeist eine vieler
Abstufungen fähige geschichtliche Entwicklungsreihe von einer
vorbildlichen partikular-rechtlichen zur als „allgemein“ qualifi-
fizierten Geltung und endlich zur „gemeinrechtlichen“. Wann
dieses letzte Stadium für die Existenz eines gemeinen deutschen
Bergrechts überhaupt wie für einzelne seiner Normen ein-
trat, ist für den Zweck dieser Untersuchung unwesentlich. Die
partikularen Bergrechtsordnungen des 16. bis 18. Jahrhunderts 1%
enthalten regelmässig in der Einleitung oder am Schluss einen
Passus, in dem für die Behandlung der nicht erörterten Fälle
auf gemeines Bergrecht, insbesondere Gewohnheitsrecht verwiesen
wird. Den Ausdruck „gemeines Recht“ darf man auch hier un-
bedenklich in jener althergebrachten juristischen Terminologie
fassen 197,
Da das gemeine Bergrecht als geschriebenes fast gar nicht
106 Te. WAGNER, Corp. jur. metall. recent. et antiqu. Samml. d.
neuest. u, ält. Bergges. 1791.
107 So erwähnen z.B. in obiger Art Gesetze verschiedenster Territorien
und Jahre „gemeine Bergrechte und alte, hergebrachte Bergwerksübung“
(Ges. v. 1524, 1528, 1539, 1542, 1719, WAGNER a. a. O. S. 1042, 1044, 788
u. 786, 982, 1002), „gemeines Recht und alte, löbliche Bergwerksgewohn-
heiten“ (Ges. v. 1784, WAGNER S. 343), „bergleufige Weiss und Recht“
(Ges. v. 1514, WAGNER S. 724) oder „üblichen Gebrauch und bergleufige
Weise“ (Ges. v. 1564, WAGNER S. 931). Einzelne Stellen mögen zwar, für
sichbetrachtet, nicht unbedingt „gemeines“ Recht (vgl. z. B. WAGNER
S. 1237, 693, ACHENBACH, Gem. dtsch. Bergr. I S. 4, 5), sondern nur eine
Verweisung eines Landesgesetzes auf das partikulare Recht anderer
Länder erkennen lassen, ohne dass das Bindeglied einer „gemeinen“ Rechts-
quelle erforderlich sei; allein schon die Tatsache der sich stets wieder-
holenden Verweisungen begründet die Ansicht, dass die zahlreichen deut-
schen Bergrechte in ihrer Geltungskraft nicht unabhängig neben einander
standen und nur „allgemeines“ Recht bildeten; vielmehr waren sie wegen
ihres nichterschöpfenden Charakters auf die in anderen Territorien beob-
achteten Gesetze und Gewohnheiten mit innerlicher Notwendigkeit — nicht
nur juristisch-zufällig — angewiesen, deren übereinstimmenden Elementen
die Bedeutung eines übergeordneten, „gemeinen“ Rechtssystems beizu-
messen ist.