Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 23 (23)

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wohl ein richtiges Urteil über das ihr Förderliche als dessen un- 
verfälschte Aeusserung zutraue. Ich kann aus demselben Grunde 
das Bedürfnis haben, mich dem Urteile meines Vaters über das 
mir Zuträgliche gemäss zu verhalten. Bestimmt mich hier seine 
für mich bestehende Autorität, so kann mich auch bestimmen 
meine Pietät gegen ihn, durch die ich es vorziehe, das von ihm 
gewünschte Verhalten zu beobachten, obgleich mir nach meiner 
Meinung ein anderes zuträglicher wäre, weil ich aus Liebe zu ihm 
in höherem Grade das Bedürfnis eines ihm genehmen Verhaltens 
als das Bedürfnis habe, das in der bestimmten Richtung mir zu- 
träglichste Verhalten zu beobachten. Ich kann aber auch das Be- 
dürfnis haben, den Willen meines Vaters zu befolgen wegen der 
Förderung und Hemmung meines Lebens, die ich für diesen und 
den gegenteiligen Fall von ihm zu erwarten habe. Und darauf 
beruht die zwingende Bedeutung, die man dem positiven Rechte 
zuschreibt. Auch hier kann dazu kommen die seinen Urhebern zuer- 
kannte Autorität, durch die das von ihnen empfohlene oder gebil- 
ligte Verhalten als gut, das von ihnen widerratene oder missbilligte 
als schlecht gilt, und die ihnen gezollte Pietät, die mich bestimmt, 
mich ihnen zu Gefallen zu verhalten trotz der grösseren Zuträg- 
lichkeit anderen Verhaltens. Als zwingend bezeichnet man es aber 
wegen der Notwendigkeit, sich ihm gemäss zu verhalten unabhängig 
von der erkannten Güte seines Inhaltes, der sie verbürgenden 
Autorität seiner Urheber und der Liebe zu diesen. 
Wenn man es als eine Besonderheit des positiven Rechtes be- 
zeichnet, dass man sich ihm gemäss verhalten nicht nur solle, sondern 
müsse, so ist zu sagen,.dass jedes Sollen ein Müssen und kein 
Sollen ein unbedingtes Müssen ist. Jedes Sollen bedeutet ein Bedürf- 
nis, das ohne das bestimmte Verhalten der Befriedigung entbehrt, 
und es bedeutet nicht die unbedingte Unmöglichkeit anderen Ver- 
haltens, aber dessen Unmöglichkeit für einen solchen, der jenes 
Bedürfnis genügend würdigt. Die speziell dem positiven Rechte 
zugeschriebene zwingende Natur kann nur bedeuten, dass seine
	        
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