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Geltung hängt aber davon ab, dass die eine und der andere
verbreitet und ihre Subjekte mächtig genug sind, um seine Gelt-
ung durchzusetzen. Je mehr dies zutrifft, desto weniger be-
darf es zu ihrer Durchsetzung des Zwanges der von Rechts wegen
dazu Berufenen gegen andere. Auch jene können nicht gewissen-
haft genug sein, um das Bedürfnis der Geltung des Rechts jedem
andern vorzuziehn, nicht einsichtig genug sein, um es zu erkennen,
oder nicht mächtig genug sein, um es gegen andere durchzusetzen.
Träfe dies aber nicht nur ausnahmsweise, sondern als Regel zu,
so wäre dadurch die Existenz des Rechtes untergraben, das sich
nur behaupten kann, wenn das durch seine Existenz befriedigte
Bedürfnis mächtiger ist als die durch sie der Befriedigung ent-
behrenden Bedürfnisse.
Dadurch, dass am Rechte der Mensch nicht nur aktiv be-
teiligt ist als einem solchen, das bestimmt, wie er sich gegen
andere verhalten soll und darf, sondern auch passiv als einem
solchen, das bestimmt, wie sich andere gegen ihn verhalten
dürfen und sollen, hat das Recht auch Bedeutung für solche
Menschen, deren Verhalten es nicht bestimmen kann, weil es
doch das Verhalten anderer gegen sie bestimmt. Aktiv ist der
Mensch am Rechte beteiligt als Subjekt eigenen Willens, passiv
als Objekt fremder Einwirkung!. Wie jener teils ein solcher
ist, den er haben darf, teils ein solcher, den er haben soll,
so ist diese eine solche, die teils zu seinen Ungunsten statt-
finden darf, teils zu seinen Gunsten stattfinden soll. Sie ist im
ersten Falle andren gegen ihn gestattet, im zweiten Falle ihm
durch andere geschuldet, oder er hat, was dasselbe bedeutet,
auf sie gegen andere ein Recht.
Man unterscheidet das Recht auf ein fremdes und das Recht
' Ueber diese Duplizität der rechtlichen Stellung des Menschen und die
daraus folgende Duplizität der ihm in der ersten und zweiten Eigenschaft
zukommenden Rechte, sowie über andre hier berührte, aber nicht ein-
gehender erörterte Fragen ist zu vergleichen mein Buch über natürliche
und juristische Personen 1905.