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sondern bildet eine Schlussforderung aus der Gegenüberstellung
der beiden Rechtssätze. Dem Verpflichteten ist es bekannt, dass
wenn er gegen den Imperativ des primären Rechtssatzes ver-
stösst, ein weiterer Imperativ besteht, dessen Durchführung für
ihn ein Uebel bedeutet. Darin liegt die Drohung, bezw. der An-
lass zur Befürchtung. Es ist also nicht notwendig, neben dem
Befehle und der Erlaubnis noch einen weitern Bestandteil der
Rechtssätze, die Drohung anzunehmen.
Es ist möglich, dass für die Sanktion noch eine weitere
Sanktion besteht, d. h. dass für den Fall der Nichtausführung
des Befehles der ersten Sanktion, eine zweite Sanktion einem
höhern Organe befiehlt u. s. w. Irgendwo hören dann allerdings
diese Sanktionen auf; vgl. THon a. a. O. S. 10 u. 11.
Wenn auch die Drohung formell keine Stellung im Rechts-
satze selbst findet und sich bloss aus der Gegenüberstellung des
primären und sekundären Rechtssatzes ergibt, so ist sie doch
ein Moment, mit welchem der Gesetzgeber rechnet, ein Moment,
das motivierend zu wirken bestimmt ist. Die Drohung soll den
Bürger beeinflussen, dass er die ihm durch den Befehl über-
tragene Pflicht erfülle.
Ist nun die Drohung für sich genommen fähig, eine deter-
minierende Wirkung auszuüben? Man kann mit Fug behaup-
ten, dass eine Drohung an sich, eine leere Drohung keine oder
doch nur eine vereinzelte Wirkung auszuüben vermag. Die
Drohung einzig genügt nicht, um auf die Befolgung des Be-
fehles hinzuwirken, es muss noch ein weiteres Moment hinzu-
treten, nämlich die für den Bedrohten bestehende Gewissheit
oder hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Drohung keine leere
bleibt, dass sie durchgeführt wird. Der Stützpunkt, worauf die
Drohung und der dieser voraufgehende Befehl ruhen, ist somit
ein Moment, das nicht in den Vorschriften des Gesetzes, nicht
in den Normen, sondern ausserhalb derselben existiert. Die
Rechtssätze müssen dieses Moment als gegeben voraussetzen.