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nicht gegolten hat. Geltung hat hier nur die sekundäre Norm
gefunden. Nicht darin liegt z. B. die Geltung der Norm, du
sollst nicht stehlen, dass der Dieb ins Gefängnis geworfen wird,
sondern darin, dass nicht gestohlen wird. Es muss Regel sein,
dass die Durchführung der Drohung nicht notwendig wird, son-
dern dass die Einwirkungsfähigkeit der Norm genügt. Die
Organe wären nicht imstande, eine über ein gewisses Mass
hinausgehende Zahl von Drohungen zu verwirklichen. Es würde
die Gewissheit der Drohungsdurchführungen durch ein Uebermass
leiden und die Einwirkungsfähigkeit der Drohung sich abstumpfen.
BIERLING, Juristische Prinzipienlehre III, S. 5 bemerkt mit Recht:
„Die natürliche und beste Rechtsbewährung bleibt immer jene
freiwillige Beobachtung der primären Normen, worin sich die
stille, aber wirksame Macht des Rechtes auf die Gemüter
der Rechtsgenossen unmittelbar offenbart“. Vergl. auch Hop
vV. FERNECK a. a. OÖ. S. 84.
Es ist also nicht physischer Zwang, der die primären Nor-
men charakterisiert, diesen wesentlich ist. Ein physischer Zwang
zeigt sich lediglich in der Durchführung der Drohungen, in der
bezüglichen gesetzlichen Pflichtausübung der Staatsorgane. THoN
a. 2. OÖ. 8. XI: „Nicht. das Zwingen ist Sache des Rechts,
sondern das Zwingendürfen und Zwingensollen“. Dagegen kann
man sagen, dem Rechte liege der Wille, die Tendenz des Ge-
setzgebers zu Grunde, einen psychischen Einfluss, oder wenn
man so sagen will, einen psychischen Zwang auszuüben.
BIERLING, Juristische Prinzipienlehre III 8. 3 ff. bemerkt: „Wenn
es erlaubt ist, den eigentümlichen, rein geistigen Druck, den jede
Norm auf die Willensentschliessungen ihrer Adressaten ausüben
will, als einen Zwang zu bezeichnen, so ist gegen die Behaup-
tung, dass Zwang eine wesentliche Eigenschaft alles Rechts sei,
an und für sich, abgesehen von der Vieldeutigkeit des Wortes,
kaum etwas einzuwenden. ... Es erscheint auch da, wo bei einer
Rechtsnorm die Befolgung: oder doch eventuell eine Ausgleichung