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Die Pflicht oder das Sollen hat zum Inhalte dasjenige Tun
und Unterlassen, das gefordert werden muss, um den, einem
andern Subjekte gewährten Interessengenuss zu ermöglichen. Die
Ausübung der Pflicht geschieht im fremden Interesse.
V.
Gesetzgebung ist Erlass bestimmt formulierter Befehle und
Erlaubnisse. Woher der Inhalt dieser Befehle und Erlaubnisse
stammt, ist gleichgültig. Die Imprägnierung dieses Inhaltes mit
dem Befehls- und Erlaubniswillen ist das Wesentliche. LABAND,
Staatsrecht des Deutschen Reiches I S. 1 definiert das Gesetz
als Anordnung eines Rechtssatzes. Der Begriff sei aus zwei
Elementen zusammengesetzt, welche durch die Worte „Anord-
nung“ und „Rechtssatz“ gegeben seien. Der Gesetzgeber erlässt
aber nicht einen Befehl, die im Gesetze enthaltenen Rechtssätze
zu befolgen. Er befiehlt nicht, Befehlen Folge zu leisten, son-
dern er spricht mit dem Erlasse des Gesetzes die Befehle direkt
aus. Er erlässt soviele Befehle, als Normen im Gesetze ent-
halten sind. Er tut durch den Gesetzesbeschluss soviele Willens-
erklärungen als Befehle und Erlaubnisse da sind. Diese Masse
von Willensäusserungen sind allerdings vereinigt und geschehen
uno actu. Der Begriff des Gesetzes ist demnach nicht aus zwei
Elementen zusammengesetzt, sondern besteht nur aus einem Ele-
mente: Befehlen (implicite Erlauben). Der Wille des Gresetz-
gebers ist befehlender und erlaubender Wille.
BERGBoHM, Jurisprudenz und Rechtsphilosophie S. 94 be-
merkt: „Soweit Gesetzesrecht in Frage kommt wird sich gegen
die Imperative schwerlich viel einwenden lassen. Zur Feststel-
lung der imperativischen Natur alles Rechts dürfte noch ge-
hören, dass diese Eigenschaft auch in dem, was gemeinhin Ge-
wohnheitsrecht genannt wird zur Evidenz nachgewiesen wird“.
Dazu bemerkt Hop v. FERNEcK a. a. O. S. 106: „Dies Be-
denken wird wohl durch den Hinweis beseitigt, dass die Im-