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bisherige widersprechende Landesrecht nicht habe direkt auf-
heben, sondern bloss auf die Dauer des Vertrages unwirksam
machen wollen, dass also nur die materielle Rechtskraft auf
unbestimmte Dauer habe unterbunden werden wollen, während
die formelle Rechtskraft noch bestehen sollte. Wenn z.B. ein
Staat, in welchem gewisse erschwerende Bedingungen für den
Aufenthalt von Ausländern bestehen, einen Niederlassungsvertrag
abschliesst, so greifen die Erleichterungen nur so lange Platz, als
der Vertrag dauert. Wird letzterer gekündet, so treten die
früheren landesgesetzlichen Bestimmungen, die bloss bezüglich
der materiellen Rechtskraft gehemmt waren, wiederum in Wir-
kung.
Die Frage, welches das Willensorgan sei, das den Staat zu
verpflichten vermag und so zum Abschlusse des Vertrages legi-
timiert erscheint, ist unzweifelhaft nicht eine staatsrechtliche, son-
dern eine völkerrechtliche. LABAND a. a. O. S. 122ff. will die
völkerrechtliche Legitimation dem vom Staatsrechte als legiti-
miert bezeichneten Organe zuerkennen und es so der Verfassung
überlassen zu bestimmen, ob die Erklärungen des Staatsober-
hauptes genügen oder ob auch der gesetzgebende Körper mitzu-
wirken habe. Das Völkerrecht würde demnach kein selbständi-
ges Prinzip aufstellen, sondern bloss sagen: völkerrechtlich legi-
timiert ist dasjenige Organ, das staatsrechtlich als legitimiert be-
zeichnet wird. Und da die Verfassungen der einzelnen Staaten
differieren können, so wäre das Willensorgan bei einzelnen Staa-
ten der Monarch oder Präsident, bei andern Staaten der Mon-
arch oder Präsident in Verbindung mit dem Parlamente. Das
völkerrechtliche Prinzip wäre demnach nur das, es völlig in das
Belieben des Staatsrechts zu stellen, die zum Vertragsabschlusse
legitimierte Behörde zu bezeichnen. Ich glaube aber, dass das
Völkerrecht, da es nun einmal die Frage der Legitimation zu
lösen hat, die Lösung auf ein einheitliches und selbständiges
Prinzip basieren muss. Und dieses Prinzip besteht darin, dass