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Medizinal-Polizei‘“ der Beaufsichtigung und Gesetzgebung des
Reiches.
Der Begniff „Polizei“ ist hier in seiner ursprünglichen wei-
teren Bedeutung der inneren Verwaltung zu verstehen !; anderer-
seits aber ist in dem Worte „Massregeln“ eine Beschränkung
der Zuständigkeit des Reichs zu erblicken. Das Gesundheits-
wesen bildet keine in sich abgeschlossene Materie, sondern durch-
dringt die gesamte Staatsverwaltung. Die Ueberweisung des
Gesundheitswesens in seinem weitesten Umfange an das Reich
würde einer Vernichtung der einzelstaatlichen Selbständigkeit auf
dem Gebiete der inneren Verwaltung nahe gekommen sein. Man
hat sich daher darauf beschränkt, die Zuständigkeit des Reiches
auf die „Massregeln der Medizinal-Polizei* zu erstrecken, d.h.
auf die Massregeln, welche ausschliesslich gesundheits-
polizeiliche Interessen verfolgen”. Das Reich hat von dieser
Befugnis bisher noch keinen weitgehenden (Gebrauch gemacht,
namentlich nicht auf dem Gebiete des Krankenhauswesens.
Ausser einigen Gesetzen, die nebenbei Bestimmungen über Kran-
kenanstalten enthalten, wie z. B. den Arbeiterschutzgesetzen und
dem Seuchengesetz, ist reichsgesetzlich nur die Konzessionierung
der Privatkrankenanstalten durch die Reichsgewerbe-Ordnung
geregelt worden, deren Bestimmungen sich aber nur auf gewerbs-
mässig betriebene Anstalten beziehen. Diese Beschränkung ist
zwar in dem Gesetz nicht ausdrücklich ausgesprochen, ergibt
sich aber aus der Ueberschrift des betreffenden Abschnittes, II. 2
„Gewerbetreibende, welche einer besonderen Genehmigung be-
dürfen“, sowie überhaupt schon aus der Tatsache, dass diese
Vorschrift Aufnahme in die Gewerbeordnung gefunden hat?.
Den konzessionspflichtigen sinddie konzessionsfreien
Anstalten gegenüberzustellen. Abgesehen von den Staatsanstalten
! v. SEYDEL Seite 109.
2 HÄNEL Seite 607 ; LABAND 3 Seite 251.
® Min.Erl. v. 4. Juni 1873; EULRNBERG S. 47/48.