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auf Errichtung einer tschechischen Schule in Wien zu rechtfertigen ver-
mag.
Eine andere wichtige Entscheidung des Reichsgerichtes betrifft die von
dem gelehrten Präsidenten des Reichsgerichtes, dem berühmten Rechtslehrer
Dr. Josef Unger, in seiner Schrift „Ueber die Haftung des Staates für Ver-
zugs- und Vergütungszinsen. Wien 1903“ (Separatabdruck aus der Grün-
hutschen Zeitschrift für das Privat- und öffentl. Recht, Jahrgang 1903) be-
handelte Frage, ob der Staat, das Land, die Gemeinde Vergütungszinsen
zu zahlen haben, wenn nachträglich eine ungebührlich eingezahlte Abgabe
der Partei zurückgezahlt werden muss. Diese Frage wurde in dem Er-
kenntnisse vom 25. April 1904 (Seite 296 ff.) bejaht. Interessant ist der
Umstand, dass dieses Erkenntnis für die Regierung den Anlass bildete, mit
einer Notverordnung vom 19. Juli 1904 die Frage der Vergütungszinsen
von zurückgezahlten Steuer- und Steuer-Strafbeträgen zu regeln. Mit
dieser Notverordnung wurde für die Vergangenheit der vom Reichsgerichte
anerkannte grundsätzliche Anspruch der Parteien auf Zahlung von Ver-
gütungszinsen verneint; das Reichsgericht legte seinen nachgefolgten Er-
kenntnissen, insbesondere dem Erkenntnisse vom 21. Oktober 1904 (Seite
490 ff. dieses Bandes) die Notverordnung als geltende Norm zugrunde. In
dieser Entscheidung findet sich auch eine Erörterung über die Frage, ob
das Reichsgericht berechtigt sei, eine Notverordnung inbezug auf ihre Gül-
tigkeit zu prüfen. Die Frage wird deshalb verneint, weil nach $ 14 des
Verfassungsgesetzes vom 21. Dezember 1867 die Notverordnungen proviso-
rische Gesetzeskraft haben und diese Gesetzeskraft eben die Wirkung in
sich schliesst, dass derlei Verordnungen von keinem Gerichte inbezug auf
ihre Gültigkeit überprüft werden dürfen, soferne sie nur in der durch das
Verfassungsgesetz vorgeschriebenen äusseren Form kundgemacht wurden.
Es sind in diesem Bande noch viele andere wichtige Entscheidungen
des Reichsgerichtes, in Fragen des Kompetenzkonfliktes und in Fragen der
Verletzung politischer Rechte, enthalten. In dankenswerter Weise zeigt sich
überall, dass das Reichsgericht von höheren Grundsätzen ausgeht und es
unterlässt, an dem starren Wortlaute des Gesetzes zu haften.
Dr. Max Schuster-Bonnott,
Dr. Otto von Komorzynski, Handel, Grundriss des österreichischen Rechtes
betreffend den Handel, Wien, Alfred Hölder, 1906, 61 Seiten.
Dieses inhaltsreiche Werkchen ist ein Abdruck aus dem zweiten Bande
der zweiten Auflage des österreichischen Staatswörterbuches von Mischler
und Ulbrich. Es bietet eine knappe, vollständige und durchsichtige Dar-
stellung der verwaltungsrechtlichen, privatrechtlichen und prozessualen
Normen über den Handel in Oesterreich. Insbesondere die gewerblichen
Bestimmungen über die Handelsunternehmungen, über die unredliche Kon-
kurrenz und das Recht zum Handelsbetriebe und über den Schutz der Hilfs-
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