Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 23 (23)

— 537 — 
Folge gewaltiger historischer Ereignisse, teilweise infolge der 
schriftstellerischen Tätigkeit einiger Philosophen — zu einem 
unbewussten Gefühl wurde, kondensierte sich in den Systemen 
der neueren Jurisprudenz in der Form des Dualismus im Rechte. 
Man sah sich im allgemeinen einem neuen, überaus mächtigen 
Rechtssubjekte, dem Staate, gegenüber. Es war genug, wenn 
der noch vor kurzer Zeit „gehorsamste Untertan“ diesem mit 
allen Mitteln der Souveränität ausgestatteten Rechtssubjekte 
gegenüber sich im allgemeinen als Rechtssubjekt und nicht mehr 
als willenloses Objekt zu fühlen beginnt. Man kann von ihm 
nicht verlangen, dass er so weit gehen solle, die neugeschaffenen 
rechtlichen Relationen zwischen ihm und dem Staate als wesens- 
gleich mit jenen, die ihn von altersher mit anderen „gehorsamsten 
Untertanen“ verbanden, zu betrachten. Dieser, in seinem Wesen 
psychologische Grund der Unterscheidung trifft aber nun be- 
greiflicherweise bei allen juristischen Schriftstellern, die sich mit 
der Rechtsnatur des Staates beschäftigen, in grösserem oder 
* Ich stehe nicht an, zuzugeben, dass ich ausser Stande bin, das eigent- 
liche Wesen dieses Unterschiedes unmittelbar, d. h. ohne Umwege, wie dies 
oben durch Benützung des Hypothesenbegriffes geschieht, klar zu formu- 
lieren. Ich schäme mich dessen auch nicht, da diese Frage fast an das 
fundamentale-philosophische Problem von der Grenze der wissenschaftlichen 
Erkenntnismöglichkeit überhaupt stösst. Sie hängt mit der alten, schon 
im Altertume aufgeworfenen Frage nach dem Verhältnis des Begriffes (der 
Vorstellung) zur tatsächlichen Wirklichkeit zusammen. 
So einfach wie sich AFFOLTER in seinem Aufsatze „Rechtsbegriffe und 
Wirklichkeit“ (Archiv f. öff. Recht, XXI. Bd. S. 410) die Sache vorstellt, 
ist sie allerdings nicht. Die Frage geht nicht, wie AFFOLTER meint, pri- 
mär dahin, ob Rechtsbegriffe „wirklich“ sind oder nicht. Es fragt sich 
vielmehr m. E., inwieweit man bei der Bildung von neuen Begriffen (u. zw. 
logischen a contr. psychologischen Vorstellungen) an die Tatsachen der 
Aussenwelt gebunden ist. 
Wenn auch das Unterscheidungsmerkmul der verschiedenen Arten von 
Begriffsbildung weder in der Möglichkeit bezw. Unmöglichkeit eines strikten 
Beweises ihrer Richtigkeit noch in der Sinnfälligkeit oder Abstraktheit des 
korrelaten wissenschaftlichen Objektes allein liegen kann, so muss es trotz- 
dem in irgend einem spezifischen Merkmale dieses Objektes zu finden sein.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.