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kleinerem Masse zu: Er ist so stark, dass nicht einmal die für
naive Gemüter verblüffende Aehnlichkeit beider Arten von
rechtlichen Relationen darüber hinweghalf. Neben diesem
psychologischen Grund wirkt jedoch noch ein anderer,
der rein methodologischer Natur ist, mit. Ueber den
letzteren seien mir im Folgenden einige Bemerkungen gestattet.
Seitdem die Rechtswissenschaft dem naiven Zeitalter der
nüchternen juristischen Konstruktionen und Sätze, wie sie etwa
in staunenswerter Prägnanz und Klarheit in den von genialer
Intuition zeugenden Formeln römischer Rechtslehrer zu Tage
treten, entwachsen war, begann man das Wesen von Staat
und Recht tiefer zu ergründen. Dem modernen kritischen Geist
genügte also nicht mehr etwa der Satz: civitates enim privatorum
loco habentur oder der schon erwähnte: publicum ius est, quod
ad statum rei romanae spectat u. s. w. an sich ohne weitere
logische, gegebenenfalls philosophische Begründung. Man be-
gann darüber nachzudenken, wieso es käme, dass man neben
physischen Trägern subjektiver Rechte auch unpersönliche gelten
lassen solle; man fragte sich, worin das Wesen dieser fiktiven
Rechtssubjekte eigentlich bestehe u. s. fe‘ Wie gründlich und
ausführlich diese und ähnliche Fragen in der Jurisprudenz
behandelt wurden, davon weiss jeder, der sich mit unserer
Wissenschaft beschäftigt, geradezu Erschreckendes zu erzählen.
Das Material ist für einen gewöhnlichen Sterblichen kaum mebr
zu übersehen, geschweige denn durchzulesen oder gar mit Musse
zu studieren. Aber die Fülle des Gebotenen allein macht das
Erschreckende sicher nicht aus: denn man wäre mit ihr sofort
versöhnt, wenn daraus eine erfreuliche Uebereinstimmung aller
Schriftsteller wenigstens in Bezug auf die grundlegenden Fragen
der juristischen Wissenschaft entsprungen wäre, so wie etwa
die Astronomen über die Kugelgestalt der Erde bis auf weiteres
nicht mehr streiten, sondern dieselbe als bewiesene Tatsache
hinnehmen, und auf dieser und ähnlichen Grundlagen ihre