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E. STEINBACH ein ausgesprochener Anhänger der naturwissen-
schaftlichen Methode.
Es ergibt sich nun die Frage, ob die von der Rechtswissen-
schaft, soweit sie abstrakte Normenlehre ist, heutzutage (bewusst
und unbewusst) angewandte Methode tatsächlich die richtige ist.
Trotz ihrer scheinbaren Einfachheit gehört diese Frage zu den
schwierigsten Grundproblemen wissenschaftlicher Erkenntnis.
Denn jede wissenschaftliche Methode hängt von der Beschaffen-
heit des zu erforschenden Objekts der wissenschaftlichen Er-
kenntnis ab und nichts ist schwerer als die klare Feststellung
und Abgrenzung dessen, was als Objekt einer bestimmten Wissen-
schaft in Betracht kommt. Tausenderlei Fäden verbinden ver-
wandte Wissenschaftsgebiete, ihr innerer Zusammenhang trotzt
allem modernen Spezialistentume. Man kann nicht Rechtsge-
lehrter sein, ohne gleichzeitig wenigstens ein wenig Philosoph,
Psycholog, Historiker, Sozialpolitiker und Nationalökonom zu
sein. All dies deutet auf die nahe Verwandtschaft der Erkennt-
nisobjekte der einzelnen wissenschaftlichen Disziplinen hin. Wenn
man daher von der besonderen Methode einer besonderen wissen-
schaftlichen Disziplin spricht, so ist dies immerhin cum grano
salis zu nehmen, so zwar, dass man sich die betreffende Wissen-
schaft in theoria möglichst isoliert von anderen, verwandten
Disziplinen vorstellt.
Im Vorhergehenden sind die „Erforschung “ „Unter-
suchung“ und der „Beweis“ als besondere Funktionen der wissen-
schaftlichen Methode erwähnt worden; man spricht aber auch
weiters von einer deskriptiven, erklärenden und konstruktiven
Methode. Ich frage nun: Kann ich als Jurist das Wesen des
Staates ebenso „erforschen“, wie der Geologe die Beschaffenheit
eines Gesteins? Sind die beiden Erkenntnisobjekte so gleichartig,
dass ich zum Zwecke ihrer wissenschaftlichen Erkenntnis die-
selbe Methode anwenden kann? Das tertium disparationis
ist nicht so leicht zu entdecken, wie es beim ersten Anblick