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struktion geboten, deren „Richtigkeit“ ich zwar nie beweisen
kann (wie etwa den pythagoräischen Lehrsatz), die aber unmöglich
im gleichen Sinne falsch sein kann wie etwa die Behauptung,
das 2xX2—-5 sei. Es steht sonach jedem anderen frei, den Be-
griff der Souveränität anders zu konstruieren, keinen
Sinn hat es aber, wenn ich mich mit ihm in
einen wissenschaftlichen Streit darüber ein-
lasse, wer von uns beiden „recht“ hat. Ebenso
verhält es sich, um ein allgemein bekanntes Schulbeispiel an-
zuführen, mit der Konstruktion des Begrifies „Staat“. Ob die
Souveränität ein begrifflich notwendiges Merkmal des Staats-
begriffes, ihm immanent sei? \Ver kann das behaupten, ge-
schweige denn beweisen? Es kommt doch, meine ich, alles
darauf an, wie ich den Begriff des Staates konstruieren,
wie ich den Begriff der Souveränität fassen will. Trotzdem
wogt in der deutschen Literatur seit langem ein heisser Kampf
um diese Frage. Den Kämpfern ist sie keineswegs nur eine
methodologische, denn sonst könnten sie nicht so gegeneinander
argumentieren, wie sie es tun. Die Aufstellung irgend einer
Theorie bedeutet nämlich gleichzeitig absolute Verwerfung aller
anderen Gesichtspunkte als grundsätzlich „falsch“ °.
Wir sehen nun aus den angeführten Beispielen, dass die
von der Jurisprudenz aufgestellten Lehrsätze einen wesentlich
anderen Charakter haben müssen als die „Gesetze“ der Natur-
wissenschaften.
Ausser der eben erwähnten konstruktiven Methode kennt
5 Ein Beispiel, das ich zufällig bei der Hand habe: In seiner Mono-
graphie „Das juristische Kriterium des Staates“ behauptet SEIDLER_ apo-
diktisch : „Die Souveränität ist, wie von selbst einleuchtet, nichts zufällig
lem Staate Anhaftendes, sondern kann nur die Folge gewisser konstitu-
liver Eigenschaften des Staates sein, welche ihm allseitige Ueberlegenheit
und Unabhängigkeit gewähren“ (8. 7) oder: „So bleibt uns demnach als das
einzige Mittel, zu erkennen, ob ein konkretes, staatliche Gewalt aus-
übendes Gemeinwesen, Staat ist, das Vorhandensein einer staatlichen kon-
stitutiven Rechtsordnung zu untersuchen“ (Seite 16).
Archiv für öffentliches Recht. XXIII. # 35