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pretation bestehender objektivrechtlicher Normen bezieht oder
eine historische Disziplin (Rechtsgeschichte) ist, richtig erfasst
hat, leider nicht zu leugnen, dass ihre einzig richtige Methode
dem künstlerischen Schaffen viel näher steht als etwa der natur-
wissenschaftlichen Forschung. Ich bin überzeugt, dass meine
soeben ausgesprochene Meinung auf entschiedenen Widerstand
stossen wird. Trotzdem will ich versuchen, dieselbe durch Ar-
gumente genauer zu belegen.
In seinem bekannten Buche „Das Recht der öffentlichen
Genossenschaft“ untersucht Rosın das Wesen der öffentlich-
rechtlichen Verbände. Er stellt sich hiebei vollständig auf den
oben angedeuteten methodologischen Standpunkt des Natur-
wissenschaftlers. Vor ihm liegen — gleichsam wie in einem
staatsrechtlichen Laboratorium — zwei verschiedene Unter-
suchungsobjekte; das eine ist die bereits lang „erforschte“* privat-
rechtliche Corporatio römischen Ursprungs, das andere ein bis-
her nicht (oder wenigstens nicht hinreichend genug) untersuchter
Gegenstand: die öffentlich-rechtliche Genossenschaft deutsch-
rechtlichen Ursprungs. Es gilt daher festzustellen, in welchen
prinzipiellen Punkten sich beide Objekte voneinander unter-
scheiden. So wie der Naturwissenschaftler, der ein Reptil und
ein Säugetier auf ihre Unterscheidungsmerkmale hin prüft, die
Existenz beider Typen nicht einfach hinwegleugnen kann, da
sie eine von der Natur gegebene Tatsache ist, glaubt auch
Rosın a priori an zwei prinzipielle Gruppen von Genossen-
schaftstypen. Seine Methode ist daher folgerichtig die der
wissenschaftlichen Analyse. Er analysiert oder — richtiger ge-
sagt — glaubt den Gegenstand seiner Forschung zu analy-
sieren und kommt zu dem bekannten Satze, dass „die öffentliche
Genossenschaft diejenige Genossenschaft ist, welche kraft öffent-
lichen Rechts dem Staate zur Erfüllung ihres Zweckes verpflichtet
ist“. InWahrheit ist dieser Satz nichts anderes als eine ganz willkür-
liche begriffliche Konstruktion. Ebenso richtig und willkürlich