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was er analysieren, induktiv untersuchen könnte. Durch seine,
Konstruktion schafft er erst den öffentlich-rechtlichen Verband!
und mit ihr geht dieser auch zugrunde. Das, womit der Jurist.
synthetisch-konstruktiv hantiert, ist allein die abstrakte Be-
griffiswelt. Logik und allgemein methodologische Erwägungen |
sind seine einzigen Führer; und das, was er schafft, ist daher
lediglich von diesen beiden Standpunkten aus anfechtbar —
ähnlich wie das Werk des Künstlers, dem ich nur ästhetisch,
nie aber mit dem Rüstzeug naturwissenschaftlicher Wahrheits-
beweise entgegentreten kann.
Ich möchte diese methodologischen Erwägungen nicht
schliessen, ohne wenigstens im Kurzen auf eine Theorie hinzu-
weisen, welche die derzeit so beliebte naturwissenschaftliche
Forschungsart in der Jurisprudenz sehr treffend kennzeichnet,
ich meine die sogenannte organische Staatstheorie.
Trotz aller exakten naturwissenschaftlichen Methode konnten
sich die Vertreter der Staatswissenschaft eines gewissen dunklen
Gefühls von der nicht realen Eigenschaft ihres Untersuchungs-
objekts schwer erwehren. Hier machte also die sogenannte or-
ganische Staatstheorie — mit GIERKE und PREUSS an der
Spitze — einen entschlossenen und energischen Schritt vorwärts.
Ihrer exakten Methode stellte sie ein reales Objekt an die Seite,
welches sie mit dem Sammelnamen des „sozialen Organismus“
bezeichnete. Dieser soziale Organismus lebt und webt ebenso
wie der physische und existiert ebenso real ausserhalb der ab-
strakten Begriffswelt.e. Damit wurde endgültig mit den veralteten
„personae fictae“ des römischen Rechts und ähnlichen Vogel-
scheuchen aufgeräumt. Und gegen die schüchternen Bemerkungen
seiner Gegner, dass die Vorstellbarkeit der wirklichen Existenz
sozialer Organismen denn doch auf einige Schwierigkeiten stosse,
wendet PREUSS triumphierend ein: „Für die organische Theorie
zerfällt die Gattung Organismus in die beiden Arten des phy-
sischen und sozialen Organismus, deren einer genau so wirklich