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Publizisten ohne Ausnahme als gegebene Tatsache, mit der man
sich recht oder schlecht abfinden muss, aufgefasst wird, ist es
von grossem Interesse, diese Ansichten nach gewissen allge-
meineren Gesichtspunkten zu gruppieren. Man gelangt dadurch
zu einer Art Psychologie der einzelnen Schriftsteller. Bevor
ich also versuchen werde, zu dem Problem von rein metho-
dologischem Standpunkt Stellung zu nehmen, soll hier eine der-
artige Gruppierung gegeben werden.
Vor allem sind es zwei Ausgangspunkte, die hier vorzüglich
in Betracht kommen. Der erste — und bedeutend naivere —
knüpft an die uralte Zweiteilungstheorie der objektivrecht-
lichen Normen an. Als einen der Hauptvertreter dieser
Richtung möchte ich STAHL anführen. Im „dienen die Privat-
rechtsverhältnisse dazu, den einzelnen Menschen zu befriedigen,
sein Dasein zu vollenden, die äusseren dazu, die Menschen ge-
meinsam zu beherrschen, sie zu einem Gesamtdasein zu ver-
binden und dieses als solches zu vollenden“ („Rechts- und
Staatslehre“).
Ich lasse es dahingestellt, ob es jemandem gelingen kann,
auf Grund dieser Unterscheidung zu entscheiden, ob der An-
spruch eines obligat versicherten Arbeiters an eine Unfall-
versicherungsanstalt privat- oder öffentlich-rechtlich ist; jeden-
falls stellt uns aber STAHL einen interessanten Typus in unserer
Gruppierung dar: ihm, dem Hauptvertreter der sogenannten theo-
kratischen Staatsidee, erscheint nämlich das öffentlich-rechtliche
Verhältnis im Gegensatz zum privatrechtlichen immer mit einer
„göttlichen“, theologischen Beigabe vermengt. (Vergl. hierzu die
überaus zutreffende Charakterisierung bei A. MENGER, Neue
Staatslehre, 2. Aufl. S. 162.) Er ist der Repräsentant jener
Richtung, die eingangs bereits erwähnt wurde; bei ihr wirkt
noch psychologisch die historische Entwicklung des absoluten
Gewaltstaates zum modernen Rechtsstaat nach. Rechts-
verhältnisse zwischen Untertan und Staat will sie nicht leugnen,