Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 23 (23)

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Die oft zu bedauerlichen Resultaten führende Entfremdung 
der zivilistischen Praxis und Theorie von der öffentlich-recht- 
lichen ist jedoch nicht der einzige Grund, der gegen den prin- 
zipiellen Dualismus angeführt werden kann. Als zweiter und 
wichtiger Grund spricht gegen ihn die tatsächliche Gestaltung 
unseres modernen Rechtslebens, die ihn immer weniger ver- 
tragen wird. Hier ist nun ein Fall eingetreten, wo der frei 
konstruierende Jurist aus Zweckmässigkeitsgründen an die ge- 
gebenen Tatsachen des äusseren Lebens gebunden ist. Wenn 
die römisch-rechtliche Doktrin den Dualismus in ihrem System 
ausgebildet hätte, so wäre gegen diesen Vorgang nichts einzu- 
wenden gewesen. Beobachten wir den antiken römischen Staat 
im Gegensatz zu dem modernen, so sehen wir den ersteren als 
omnipotenten öffentlich-rechtlichen Verband einigen armseligen 
collegia funeraticia, tenuiorum, einigen municipia und civitates, 
die noch dazu nur in vermögens-rechtlichen Beziehungen in 
Betracht kommen, gegenüberstehen. Hier hätte sich allenfalls 
das Prinzip der Individuation und das der Gesamtheit als 
scharfes Unterscheidungskriterium verwenden lassen. Wie anders 
sieht jedoch ein moderner Staat aus! Hier wimmelt es förmlich 
von „sozialen ÖOrganisamen“, die dem eigentlichen Staate, 
dieser personae publici iuris xat’ &Eoyxiv, eingegliedert sind und 
den Uebergang zum eigentlichen privatrechtlichen Verbande 
vermitteln. Da kommen vorerst die „Staatsfragmente“ als ru- 
dimentär entwickelte Staaten in Betracht. Von diesen geht es 
weiter zu den kommunalen Körperschaften, die mit den er- 
wähnten Fragmenten als autonome Verbände der öffentlichen 
hof. In seiner prekären Lage, entweder evident contra legem latam oder 
aber gegen ein durchaus berechtigtes Erfordernis jedes modernen Gewerbe- 
wesens zu entscheiden, griff dieser zum Dualismus im Recht als seinen 
letzten Rettungsanker: er erklärte dieoffene Handelsgesell- 
schaft für eine juristische Person des öffentlichen 
Rechts. Auf diese Weise entstand die kuriose Entscheidung vom 6. Juli 
1901 Z 5349,
	        
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