Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 23 (23)

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des „renitenten“ Untergebenen als eine, wenn auch gesetzmässige 
Unverschämtheit ansehen wird, desto mehr „öffentlich-rechtlicher 
Natur“ werden beide in diesem Rechtsverhältnis erblicken. Je 
mehr sich aber der Kläger seiner Stellung als freier Bürger 
eines Rechtsstaates, als einer gleichwertigen Prozesspartei bewusst 
wird, je mehr der geklagte Staat fühlen wird, dass es auf dem Boden 
des Rechtes nur gleichwertige Rechtsgenossen geben kann und 
keine Gewalt- oder sonstigen ausserrechtlichen Verhältnisse, 
desto mehr werden beide Parteien der verblüffenden Aehnlich- 
keit ihres Prozesses, ihrer Rechte und Pflichten mit jedem an- 
deren privatrechtlichen Prozessverhältnis gewahr werden. Der 
letzte Grund des Dualismus im Recht hat 
eben eine psychologische Wurzel. Und eben der 
Umstand, dass in dem Rechtsbewusstsein des Volkes und seiner 
Rechtsgelehrten die tansendjährigen Reminiszenzen an den jen- 
seits des Rechtes stehenden Gewaltstaat naturgemäss weiter- 
wirken — wenn auch nicht bei jedem in gleicher Stärke —, 
erklärt das zähe Festhalten der Jurisprudenz an dem Prinzip 
des Dualismus. Eben darum konnte nicht kurzweg erklärt wer- 
den, dass öffentliche Ansprüche und Verpflichtungen vor die- 
selben Gerichte gehören, wie alle anderen Rechte, sondern man 
schuf für sie eigene, privilegierte fora. 
Die Evolution des modernen Staatslebens steht im Zeichen 
einer allgemeinen Sozialisierung. Diese Sozialisierung könnte 
man in Bezug auf das hier behandelte Thema als eine immer 
mehr fortschreitende, gegenseitige Durchdringung der beiden Grund- 
prinzip der Individuation und der Gesamtheit bezeichnen. Waren in 
früheren Zeiten die Rechtsverhältnisse derartig, dass man sie 
leichter unter eines von diesen beiden Grundprinzipien bringen 
konnte, so wird eine solche prinzipielle Gruppierung heutzutage 
immer schwerer: Rechtsverhältnisse, die seinerzeit als Typen 
privatrechtlicher Beziehungen angesehen werden konnten, werden 
heute vom Gesamtheitsprinzipe beherrscht d. h. sie bekommen 
Archiv für öffentliches Recht. XXIII. 4. 37
	        
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