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neben der Gewohnheit den Vertrag an und macht sogar die
weitgehende Bemerkung, dass „in der Neuzeit der Weg des
Vertrages und der gegenseitigen Konzessionen zwischen den
beteiligten Staaten die normale (!) Art und Weise (bildet), wie
internationale Gesetze geschaffen werden können“ (I 12). Der
Zahl der Kontrahenten misst er augenscheinlich keine prinzipielle
Bedeutung bei, da er beispielsweise die vier Regeln der Pariser
Seerechtsdeklaration für Völkerrecht hält, wiewohl Kulturstaaten
wie Nordamerika und Spanien nur einzelnen beitraten.
Durchforscht man die antike Welt nach rechtsetzenden
Staatsverträgen, so findet man, dass sie in zahllosen Fällen von
einzelnen Staaten geschlossen wurden und auch zwischen einer
grösseren Staatengruppe zustande kamen. Ich verweise auf den
Grundvertrag der pyläisch-delphischen Amphiktionie, die eine
völkerrechtliche Staatenverbindung mit vielen Mitgliedern war
und über ein halbes Jahrtausend bestanden hat. Im Vertrage
war verboten, eine zum Bunde gehörige Stadt „von Grund aus
zu zerstören oder vom fliessenden Wasser auszuschliessen weder
im Kriege noch im Frieden“, eine Bestimmung, welche vor allem
die Kriegspraxis mildern sollte, aber auch noch andere Ziele
verfolgte*.
Solche Tatsachen hält MARTENS augenscheinlich für unerheb-
lich, denn er sagt:
„Untadelige historische Zeugnisse beweisen zwar die tatsächliche Exi-
stenz internationaler Beziehungen im Altertum, ja überdies vieler Gebräuche
zum Schutz derselben; allein uns ist keine Tatsache überliefert worden,
welche den Beweis dafür erbrächte, dass die antiken Völker die Notwen-
digkeit geordneter Wechselbeziehungen und eines Rechtes, das diese
schützt, anerkannt hätten — das Recht aber bedarf als Grundlage überall
der Anerkennung seiner Notwendigkeit“ (I 35, fast ebenso I 47 und 5l,
II 67).
4 Das Nähere Ant. Völkerrecht S. 33 ff. Unrichtig MARTENS 1 50, wo
er sagt, dass... „die Stiftung des Amphikyonenbundes ... sich aus-
schliesslich auf Glaubensinteressen, aber nicht auf Politik und Recht be-
zog.“