Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 23 (23)

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schiedene Begriffe deckt. Von einem völkerrecht- 
lichen Begriff des Gleichgewichts könnte nur gesprochen werden, 
wenn dereine Name auch einen Begriff bezeich- 
nethätte, 
Dem Standpunkt unseres Gelehrten nähert sich ein anderer 
verdienter Autor, FRANZ VON HOLTZENDORFF, wie kurz darge- 
legt werden soll. Er spricht dem Altertum, Mittelalter und der 
Neuzeit bis 1648 den Besitz eines wahren internationalen Rechts 
mit der Behauptung ab, es habe zwar „seit den ältesten Zeiten 
überall einzelne Völkerrechtsverhältnisse“* gegeben, 
aoch seien sie „gleichsam singular“ gewesen und „wesentlich 
verschieden“ von dem 1648 n. Chr. geschaffenen „bleibenden 
Völkerrechtszustande“!5. Da relative Dauer vielen antiken Völ- 
kerrechtssätzen eignete, so will wohl HoLTZENDORFF das Wort 
„bleibend“ absolut aufgefasst wissen. Damit stellt er sich auf 
den Boden des naturrechtlichen Glaubens an ein ewiges Recht 
und verlässt seinen Völkerrechtsbegriff, über den er im $1 sagt: 
„Als Völkerrechtliche sind diejenigen Normen zu be- 
zeichnen, in Gemässheit welcher die Rechtspflichten und Rechts- 
ansprüche Verkehr pflegender, unabhängiger Staaten im Ver- 
hältnis zu einander bestimmt und verwirklicht werden.“ In 
Uebereinstimmung mit der herrschenden Auffassung lehrt er, 
dass das Völkerrecht die Vereinigung von drei Momenten vor- 
aussetzt: 1. das Vorhandensein und Nebeneinanderbestehen einer 
Mehrheit selbständiger Staaten, 2. die Tatsache eines unter selb- 
ständigen Staaten obwaltenden, geregelten und ständigen aus- 
wärtigen Verkehrs, 3. den übereinstimmenden Willen der im 
Verkehr stehenden Staaten, sich innerhalb ihres gesellschaft- 
lichen Bestandes als Rechtssubjekte wechselseitig anzuerkennen 
15 Handbuch des Völkerrechts I 390 f. Die auffallende Tatsache, dass 
der Autor die Völkerrechtsgeschichte „gerade mit dem Jahre 1648° schliesst, 
(wozu kein Grund vorliegt), hat v. Liszt, Völkerrecht, 5. Aufl. 1907 8. 15° 
hervorgehoben. 
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