— 61 —
ster Gerichte und, wie die vom Strafsenat als Belege angeführten
Entscheidungen ihren Daten nach zeigen, sogar nur auf die
Rechtsprechung dieses Gerichts in den letzten Jahren bezieht,
während hier die praktische Handhabung in einem mehr als
100jährigen Zeitraum in Frage steht. Die Unrichtigkeit
jener Annahme ergibt vielmehr die frühere Praxis namentlich
aus der Zeit, in der der Strafrichter in Preussen noch auf Adels-
verlust erkennen konnte und musste (88 91, 92 ALR. T. II
Tit. 9), d.h. bis zum Inkrafttreten des Strafgesetzbuchs für den
Norddeutschen Bund. Hätte die Praxis damals schon jene An-
nahme befolgt, so hätte der Strafrichter auch einen „Adel“ ab-
erkennen können, dessen Bestehen der König überhaupt nicht
anerkannte. Ein solches Urteil aber wäre von vornherein ein
Unding gewesen, da der König sich die Bestätigung der auf
Adelsverlust lautenden Urteile vorbehalten hatte (vgl. KLEin,
System des preussischen Zivilrechts, 1836, Bd. 2 S. 350), sodass
ın Wahrheit also er es war, der den Adel im Falle der Bestä-
tigung des Strafurteils entzog, — und ein Urteil, das einen vom
König als bestehend garnicht anerkannten Adel absprach, ihm
offenbar auch nicht zur Bestätigung hätte vorgelegt werden
können.
Wenn der Strafsenat noch darauf hinweist (S. 4 des Straf-
urteils), dass das Reichsgericht selbst für bürgerliche
Rechtsstreitigkeiten das Recht und die Pflicht des Richters an-
erkannt habe, „über Vorfragen öffentlich-rechtlichen Charakters
zu entscheiden“ und, soweit es sich um die Adelszuge-
hörigkeit handelt, als Beleg hierfür und zwar als ausschliess-
lichen Beleg das Urteil des Reichgerichts vom 6. April 1898
(GRUCHOTs Beiträge, Bd. 42 8. 982 flg., vgl. Arch. f. öffentl. Recht,
a.2.0.8.22flg.) anführt, so ist demgegenüber zu betonen, dass diese
Entscheidung des Reichsgerichts eine ganz vereinzelte ist, die
ergangen ist, ohne dass dem Reichsgericht eine die Aus-
schliesslichkeit des hier in Frage stehenden Majestäts-