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Die Rechtssubjektivität des Staates ist damit auch für den An-
hänger von Fiktionstheorien eine Tatsache; denn jene Theorien
haben für das geltende Rechtssystem nur die Bedeutung von
Motiven. Rechtssubjektivität ist das Träger-sein von Rechten
und Pflichten überhaupt. Sie ist ein Begriff des gesamten Rechtes,
nicht nur von Teilen desselben, wie des öffentlichen und Privat-
rechts. Für deren Bestimmung ist die namentlich in neuerer
Zeit oft hervorgehobene einheitliche Persönlichkeit des Staates
auf dem gesamten Rechtsgebiet? als gegeben zu betrachten.
Oeffentliches Recht ist nach dem geltenden Rechts-
system gleichbedeutend mit dem Inbegriff der dem Staat als
Rechtssubjekt eigentümlichen Rechtsbeziehungen. Eigentümlich
sind ihm die Rechtsnormen, bei deren konkreter Reali-
sierung überhaupt oder zum mindesten bei deren Verletzung
— wie beim Strafrecht jeder Art'® — er als Rechtssub-
jekt im oben dargelegten Sinn notwendig in irgend einer
Weise beteiligt ist und in denen an seine Stelle
als Rechtssubjekt kein anderes treten kann.
Seine Rechtsstellung als Subjekt des öffentlichen Rechts ist durch
Ausschliesslichkeit gekennzeichnet. Dies trifft für das
Staatsrecht i. e. S., Völker-, Verwaltungs-, Straf-, Prozess- und
bedingt für das Kirchenrecht zu. — Privatrecht ist dem
gegenüber der Inbegriff der Rechtsverhältnisse, an denen der
Staat nicht als Rechtssubjekt oder zum mindesten nicht in einer
ihm eigentümlichen Stellung beteiligt ist. Staatsrecht in jenem
w.8. deckt sich daher nicht mit dem Inbegriff der gesamten
Rechtsbeziehungen, in denen der Staat überhaupt steht oder
stehen kann. Für solche Rechtsbeziehungen, in denen an seiner
15 Vgl. JELLINEK a. l. OÖ. S. 583; Wacn, Handb. d. Zivilproz. S. 92.
16 Bei Verletzung von Privatrechtsnormen tritt der Staat erst im Prozess
als beteiligtes Subjekt auf, weshalb das Zivilprozessrecht öffentliches Recht
ist. Bei Verletzung von Strafrechtsnormen ist der Staat dagegen schon
ohne den Prozess als Träger des Strafanspruchs beteiligtes Subjekt.