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Erfüllung nicht entziehen, ohne dadurch die Achtung seiner Mit-
menschen zu verlieren, so steigert sich der hierin liegende innere
Zwang mit der sozialen Stellung. Je mehr Achtung jemand be-
ansprucht und genießt, um so wichtiger ist es für ıhn, diese Ach-
tung nicht zu verlieren. Das gilt aber in noch höherem Maße,
als für einen Einzelnen, für einen Staat. Es ıst auch in der Tat
bisher kein Fall vorgekommen, in dem ein Staat, gegen den ein
schiedsgerichtliches Urteil ergangen wäre, dessen Erfüllung ver-
weigert hätte.
XI.
Damit ist jedoch die Frage noch nicht erschöpft, sondern es
handelt sıch darum, ob ein Schiedsgericht auch dann zusammen-
treten soll, wenn es nicht zu erreichen ist, daß die streitenden
Staaten sich auf die Anrufung eines solchen einigen. In der Tat
ist das zu empfehlen, obgleich nur in der bereits mehrfach ge-
forderten Beschränkung auf Rechtsstreitigkeiten.
Gerade der jetzige Krieg zeigt deutlich, eine wie wichtige
Aufgabe in solchen Fällen zu lösen ist. Naturgemäß ist es für
die beteiligten Staaten wertvoll, das Urteil der neutralen Mächte
und ihrer Angehörigen zu beeinflussen, und das versucht man da-
durch zu erreichen, daß man den Gegner als im Unrecht befind-
lich darstellt. In erster Linie legt jeder Staat Gewieht darauf,
die Verantwortung für den Ausbruch des Krieges von sich abzu-
wälzen, indem er behauptet, der angegriffene Teil zu sein. Da-
neben aber bemüht man sich, dem Gegner Verletzungen des Völ-
kerrechts nachzuweisen, die er im Verlaufe des Krieges begangen
haben soll.
Bringen wir uns zum Bewußtsein, in welcher Weise heute
diese gegenseitigen Vorwürfe behandelt und erledigt werden, so
kann darüber kein Zweifel bestehen, daß hier ein geradezu trost-
loser Zustand vorliegt. Jede Partei benutzt die zu ihrer Ver-
fügung stehende Presse, um ihre Auffassung zur Geltung zu brin-